Live V

Ganz ehrlich: Erwartet hatte man ein weiteres esoterisches Album, noch mehr Wasser- und Luft-Metaphern, ähnliches Geschwurbel wie auf „The Distance To Here“. Weise Worte vom Zen- und wahrscheinlich auch Feng-Shui-Fan Ed Kowakzyk, die man gar nicht hören möchte, dazu eher durchschnittlicher Alternative-Rock. Und jetzt das!

„Simple Creed“ klingt gleich nach Classic Rock, freilich wieder pathetisch, aber doch mit Bodenhaftung. Und dann redet auch noch Tricky dazwischen. Ed singt indes, als sei ihm Robert Plant erschienen. Komisch. Jedoch gut Und es wird noch besser. Im groovelastigen Anti-Disco-Song „Deep Enough“ erlaubt er sich sogar einen Witz: „Ybur eyes met mine, your skirt began to rise – and so did I.“ Noch gelungener allerdings der Reim von „Flow“: „Everything’s here/ Mystery and beer/ 1 have nothing to fear.“

Aber dann kommt halt doch wieder der Gutmensch und Weltverbesserer durch: ,J will go on/ Like a soldier through the storms of love“, droht Kowalczyk und outet sich gleichzeitig als Nader-Wähler. Gegen die Globalisierung und Fast-Food-Ketten ist er natürlich auch: „Let’s go to Ray’s, not to Pizza Hut/ Let’s go to The Pig, not to Starbucks.“ Ach, Ed, wenn’s doch nur so einfach wäre. In Zeiten, da sogar Bono und Bob Geldof erkannt haben, dass Politik in einem Popsong immer zu profan erscheint, lassen sich Live nicht beirren. Sie wollen nicht nur auf Tibet-Benifizkonzerten spielen, ihre Musik soll erleuchtende Botschaften vermitteln.

Immerhin, bei „People Like bu“ wird das Konzept ironisch hinterfragt: „In a dream I had, I was on a stage with Queen, Michael Stipe and Elton John, Bono and Springsteen, singin hallelujah, rock and roll is king.“ Aber vielleicht ist das gar keine Ironie.

Wahrscheinlich glaubt Ed wirklich, Live wären zum „pissing in the mainstream“ auserkoren. Zumindest haben sie keine Angst davor, sich wieder einmal dem Spott aller Zyniker auszusetzen.

Musikalisch kann man Live jedenfalls gar nichts vorwerfen: Seit „Throwing Copper“ klangen sie nicht mehr so kraftvoll und ungekünstelt. Bei „Transmit our Love“ versucht es Kowalczyk zwar mal mit Sprechgesang, „Call Me A Fool“ ist die obligatorische Ballade, und mit Alanis-Hitschreiber Glen Ballard wurde „Forever May Not BeLong Enough“ fabriziert, das durch einen grauenhaften Beat unangenehm auffällt, doch der Rest ist Rock. Stellenweise fast funky („OK“), meistens einfach dermaßen hymnisch, dass man kaum entkommen kann. Aber von Ed Kowalcyzk gefangen genommen zu werden, ist ja keine Qual – am Ende erweist er sich gar noch als „Hero Of Love“.

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