Los Angeles Nuggets 1965-68 Where The Action Is!

Bei dieser „Nuggets“-Kollektion von Rhino sollte man auch eine gewisse archäologisch motivierte Neugier mitbringen. Denn das Studium der hier dokumentierten musikalischen Bemühungen Dutzender eher obskurer und manchmal auch zu recht vergessener Komponisten, Musikanten, Produzenten und Bands ist nicht unbedingt immer mit größerem Vergnügen verbunden. Was auch mit dem hier praktizierten Auswahlprinzip zu tun hat. Statt der Songs, mit denen etwa die namhaftesten Bands der ersten CD bekannt wurden, findet man hier grundsätzlich immer solche, bei denen man sich an das alte deutsche Sprichwort erinnert fühlt, das da behauptet, es sei noch kein Meister vom Himmel gefallen.

Von den Standells wählte man also nicht „Dirty Water“ aus, sondern „Riot On Sunset Strip“, aus den „Preflyte Sessions“ der Byrds nicht „I Knew I’d Want You“ oder „She Has A Way“, sondern ein Take von „You Movin'“, bei dem Gene Clark noch nicht als großer Songmeister erkennbar ist. Weil in keiner halbwegs ernstzunehmenden Plattensammlung „I Fought The Law“ von den Bobby Fuller Four fehlen sollte, wählte man von denen „Baby My Heart“ aus. Das hier zu hörende „One Too Many Mornings“ in der Aufnahme von The Association war immer das genaue Gegenteil einer denkwürdigen Dylan-Interpretation, während sich die Leaves mit „Dr. Stone“ als ganz achtbare Rolling Stones-Epigonen vorstellten. Zumindest bei den Aufnahmen von Love, Rising Sons und Kaleidoscope deutet sich ganz große spätere Klasse schon an. Die von Little Feat bei dem von Lowell George & The Factory ausgewählten „Candy Cane Mess“ ganz entschieden nicht.

Ganz tief dringt die zweite CD in die Archäologie des Westküsten-Pop/Rock jener Jahre ein. Die relativ prominentesten Bands sind hier noch allemal Turtles, Electric Prunes und vielleicht gerade noch The Merry-Go-Round mit dem Emitt Rhodes-Ohrwurm „Listen, Listen!“. Zu größerer Bekanntheit brachten es trotz origineller Namen auch Bands wie The W. C. Fields Memorial Electric String Band mit ihrem „Hippy Elevator Operator Song“ nicht. Im Garagenrock der meisten dieser Bands war die Fuzzgitarre das alles dominierende Instrument. Bands wie Opus 1 fehlte es bei Aufnahmen wie „Back Seat ,38 Dodge“ hörbar nicht nur an Geld, sondern auch an der Fantasie eines Brian Wilson.

Mehr Geld, Session-Koryphäen und technischer Sachverstand stand jenen Bands zur Verfügung, die man auf der dritten, „The Studio Scene“ betitelten CD versammelt findet. Lee Hazlewood und Mamas & Papas, Gary Lewis & The Playboys, P. F. Sloan und Jan & Dean mutierten notfalls in atemberaubendem Tempo zu Profis oder verfügten – wie die Monkees – so lässig und dankbar über viele dienstbare Geister (Komponisten, Session-Cracks, Produzenten, PR-Publizisten), mit deren Hilfe absolut radiotaugliche Ergebnisse zustande kamen. Das gilt aber nicht minder für andere Bands hier wie London Phogg oder October Country, bei denen man nach den hier präsentierten Werken zu grübeln beginnt, warum aus denen so überhaupt nichts weiter wurde.

Von vielen bekannten Namen findet man auf der vierten CD in der Regel wieder weniger geläufige bis ziemlich obskure Aufnahmen. Gene Clark mit dem so gut wie unbekannten „Los Angeles“, Peter Fonda mit „November Night“, Ricky Nelson mit dem zusammen mit James Burton geschriebenen Drogensong „Marshmallow Skies“, sehr psychedelisch und ziemlich druggy klingend auch Del Shannon bei „I Think I Love You“. Tim Buckley deutet beim erstmals veröffentlichten „Once Upon A Time“ schon ganz große Klasse an, Van Dyke Parks, Randy Newman und Harry Nilsson tun das bei den lausig produzierten Frühwerken hier nicht! Den leicht durchgeknallten Alternativ-Mix von „Heroes And Villains“ dürften Beach Boys-Fans schon kennen, während es sich bei „You Set The Scene“ von Love um die allseits beliebte Originalversion von „Forever Changes“ handelt.

Die überhaupt nicht nachvollziehbare Marotte bei dieser Retrospektive: Selbst Aufnahmen von Byrds, Doors, Mamas & Papas, Captain Beefheart, Rising Sons und anderen werden hier in teils zweifelhaften, nach historischer Mittelwelle klingenden Mono-Mixes präsentiert. Was vor allem auch insofern absurd ist, als in den umfangreichen Liner Notes ausdrücklich betont wird, dass Los Angeles damals schon reichlich über auf dem neuesten Stand der Technik angesiedelte Studios verfügte.

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