Loudon Wainwright III – Album 1/Album 2

An Sängern/Songschreibern und ihren eher idiosynkratischen Liedern fanden die Ertegun-Brüder auch noch keinen sonderlichen Gefallen, als die – von Tim Buckley und Joni Mitchell bis Neil Young und James Taylor – im Verlauf der späteren 60er Jahre so vielen Menschen aus der Seele sprachen, daß so gut wie jede Plattenfirma etliche namhafte unter Vertrag hatte. (Und alle – weil Dylan mit „Self Portrait“ so schwächelte auf der Suche nach dem „nächsten“ gingen.) Als einer der ernsthaften jungen Menschen, der sich mit der Spaßgesellschaft damals einfach nicht identifizieren konnte, aber schon so satirische und im Amerika der Bush-Administration längst wieder so brandaktuelle Songs wie „Glad To See You’ve Got Religion“ im Repertoire bewahrte, hatte sich Loudon Wainwright III aus North Carolina einen Namen in der Folk-Szene erspielt und ersungen. Nur Akustik-Gitarre und in ihrem aufklärerischen Impetus hintersinnige Texte mit Witz. Über Mutter Erde und Jesus, den Staat Pennsylvania und die Schulzeit in Delaware, als er gern Marlon Brando und James Dean gewesen wäre. Manchmal sei er sein eigener Feind, singt er in „Movies Are A Mother To Me“, und ab und zu gingen er und dieser sein Feind ins Kino, um einen Film anzuschauen, und wenn sie das Kino verlassen, seien sie wieder Freunde. Also jemand, der sich unbekümmert zu zeitweiliger Schizophrenie bekennt. Was auch heißt: Loudon Wainwright hat zwar später und unlängst erst recht wieder mit beißendem Spott und ätzender Satire Protest angemeldet. Aber Phil Ochs war er nie. In besagtem „Movies Are A Mother To Me“ ist er weit eher Stand-up-Comedian. Er erinnert daran, daß die sterbende „Hospital Lady“ aus dem gleichnamigen Song auch mal ein richtig hübsches Mädel war, die auch – noch gar nicht so lange her, nämlich erst 1953 – einmal mit ihrem Lieblings-Beau tanzte. Wainwright sang da – ein Tabu brechend – über den elenden, einsamen Tod, den alle mal sterben müssen, egal was man sich vormacht. „I Don’t Care“ zählte zu den heftigsten hier bekannten Anti-Liebesliedern, obwohl auch das nicht einer gewissen Komik entbehrte, singt er doch: „I really couldn’t care less/ And I may as well confess/ That little tune I wrote about you last winter/ It was a lousy song!“ Und nein, er sei eine weise Eule, er liebe sie nicht mehr, und sie möge ruhig nach San Francisco entschwinden. Einmal geschieden, sollte er viel später für „More Love Songs“ einen unendlich traurigeren an die Adresse seiner Kinder singen.

John Hammond Sr. fand das ihm präsentierte Band nicht übel und hätte den jungen Mann gern für Columbia unter Vertrag genommen. Aber Nesuhi Ertegun bot mehr Geld. Davon hatte er dank Led Zeppelin just jede Menge. Er bekam den Zuschlag. Wie in den Liner Notes nachzulesen angeblich auch, weil Wainwright ein so großer Fan von Ray Charles und Aretha Franklin war. Aber eine gedeihliche Ehe ging er damit deswegen nicht ein.

Man finanzierte ihm ein zweites Album („Album 2“,(4)), und bei einem Song – „Old Paint“ – gab Ehefrau Kate McGarrigle ihr erstes Gastspiel. Es waren Lieder über nette jüdische Mädchen und seine Freundin (die Katze), Suff, Unglück, Selbstmord und ähnlich lustige Themen. Auch über seine komplizierten Beziehungen zum schönen Geschlecht und das nachgeburtliche Trauma eines Vaters in „Be Careful, There’s A Baby In The House“ (Rufus war gerade geboren), dem auffällt: „All that hoochie coochie coo/ Is a lot of poo poo/ When you spread it on that thick.“ Ob er damit den Zorn von Ehefrau Kate auf sich zog, ist nicht überliefert. Die äußerte ob des Ereignisses, nachweislich des Songs „First Born“ auf dem „Dancer With Bruised Knees“-Album der McGarrigle-Schwestern, später aber eindeutig innigere Gefühle angesichts der Geburt von Sohn Rufus.

Wutentbrannt reagierte eine Women’s Lib-Vertreterin bei einer Rundfunkstation in Chicago auf einen anderen Song, nämlich den „Motel Blues“. Für den, entrüstete sie sich, solle man diesem Sänger die Genitalien abschneiden. „In this town television shuts off at 2/ What can a lonely rock’n’roller do?“ fragt er da und phantasiert von einem One Night Stand mit einem blutjungen Mädchen. Ein Klassiker zum Thema wie auch „Stay With Me“ von den Faces, aber bei ihm ausnahmsweise ohne ironischen doppelten Boden. Und was sein Problem mit den „Nice Jewish Girls“ angehe, bekennt er am Ende, sei es halt leider so: „They make my juices flow.“ Hätte Woody Allen nicht besser sagen können.

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