Man & Myth :: Beglückendes Alterswerk des britischen Folk-Helden
Roy Harper gehört zu den großen, zu lange zu Unrecht vergessenen Helden des britischen Folk-Revivals; seine ersten Platten erschienen ab 1967 im Umfeld freigeistiger Genre-Vertreter wie Bert Jansch und Pentangle. Von der lieblichen Naturmystik der meisten Folkies war bei ihm aber wenig zu hören. Ähnlich wie Bill Fay, dessen Comeback „Life Is People“ wir im vergangenen Jahr an dieser Stelle feierten, tauchte Harper die bukolischen Klänge bald schon in die dunklen Farben der kommenden Apokalypse und sang vom politischen und persönlichen Weltenbrand; wo Fay die musikalischen Mittel des Folk um jazzinspirierte Spielweisen erweiterte, verbrüderte Harper sich mit dem Psych-und Prog-Rock der Ära.
Auf seinem Meisterwerk „Stormcock“ aus dem Jahr 1971 spielte unter anderem Jimmy Page die Gitarre; Led Zeppelin widmeten ihm das Stück „Hats Off To Roy Harper“ auf dem Album „III“; auf Pink Floyds „Wish You Were Here“ ist Harper als Gastsänger zu hören, ebenso wie später auf einigen Stücken der David-Gilmour-Schülerin Kate Bush. In den Achtzigern sank sein Stern, sein letztes reguläres Album stammt aus dem Jahr 2000. Es ist den Protagonisten des jüngsten Folk-Revivals wie etwa Joanna Newsom zu danken, dass Harper nun wieder ins Studio ging.
Auf „Man &Myth“ sind seit 13 Jahren erstmals wieder neue Lieder von ihm zu hören: ein großes, beglückendes Alterswerk über Liebe und Verlust, über die auch nach all der durchmessenen Lebensspanne immer noch unkontrollierbaren Gefühle und über die Erinnerung an das eigene Leben: „the lonely track from madness to despair and back“, wie es in dem epischen, an die „Odyssee“ und die Argonautensage angelehnten Fünfzehnminüter „Heaven Is Here“ heißt: „When I look back, what do I see? Was it reflection, or was it me?“
(Bella Union/Cooperative) JENS BALZER