Manic Street Preachers :: Futurology

Poesie der Vernunft: Neue majestätische Rocksongs aus Wales.

Olli Kahn wird nicken: Keine Zeit, vorwärts, vorwärts, der nächste Moment könnte schon das Ende sein! Das ist die Stimmung auf diesem Album, dem zweiten der Manic Street Preachers innerhalb von neun Monaten; der Vorgänger, „Rewind The Film“, klang oft noch nach Ruhepause, jetzt also rast die Band, und zwar durch Europa, die Preachers haben ein Hauptthema. Wenn „Futurology“ ungefähr sechs Wochen vorher erschienen wäre, dann hätte die Europawahl wenigstens eine Attraktion vorweisen können.

Wer behauptet, einen Hau zu haben, will meistens damit angeben – das Manische an den Street Preachers ist ein Irrtum oder höchstens Ironie; bei aller Poesie regiert doch die Vernunft. Sie erträumen allerdings eine Stadt, und der Mensch kommt auf Gedanken, sobald er über eine Brücke fährt: Abschied, Ankunft, Erdkunde, davon handelt der Auftakt, „Walk Me To The Bridge“. Niemand bestreitet den Küchengrundsatz, wonach Liebe durch den Magen geht, aber James Dean Bradfield singt: „Europa geht durch mich“ (das hätte Angela Merkel mal sagen sollen). Sein Deutsch ist an Niedlichkeit kaum zu überbieten. Die Schauspielerin Nina Hoss lässt sich hier hören (und stört nicht weiter; Nicolette Krebitz war zum Glück verhindert).

Das Schluss-Stück erklärt wohl den Albumtitel: Es heißt „Mayakovsky“, nach dem Dichter des Futurismus. Der Philosoph Green Gartside, früher Scritti Politti, unterstützt die Preachers ebenfalls. Die Musik, erzählen Bradfield und sein Texter, Nicky Wire, sollte sich diesmal zusammensetzen aus Prachtrock, Punk, Disco und dem Zeug, das Gruppen wie Kraftwerk und Popol Vuh vor 40 Jahren erfanden –

das Majestätische der Preachers zeigt sich wie üblich besonders in der Tonart D-Dur, sie erinnern dann an Mozart und seine „Prager Sinfonie“. Ein bisschen Langeweile kommt jedoch auf, wenn Bradfield zu lange schweigt und nur die Instrumente klingeln und dröhnen. Neben ihrem Landsmann Anthony Hopkins bleiben die Manic Street Preachers trotzdem das Beste, was Wales derzeit zu bieten hat.

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