Mark Eitzel – 60 Watt Silver Lining :: Virgin

Mark Eitzel ist zweifellos am Höhepunkt seiner Kunst angelangt Oder wie sollte man die Apotheose des traurigen Clowns in einem einzigen Reim sonst charakterisieren? „This time the world wasn’t jokin'“, konstatiert Eitzel, um sogleich hinterher zu flehen: „But I hope your heart won’t always be broken“. Und als würde das noch nicht reichen, ist der Song, der diese Zeilen gebiert, auch noch „Aspirin“ betitelt Die Welt und ich, und eine Flasche dazu – niemand gibt diese Rolle konsequenter als der Leidensvirtuose aus dem American Music Club (AMC).

Daß der Sänger und Songwriter seine Band vorerst hinter sich gelassen hat, überrascht nicht unbedingt, nachdem 1994 mit dem letzten AMC-Album „San Francisco“ auch der letzte Versuch gescheitert war, „das große Rock-Publikum“ zu „packen“, wie die Plattenfirma damals ganz unverblümt die Schußrichtung festgelegt hatte. „60 Watt Silver Lining“ zeigt nun einerseits, wie wenig Eitzel auf eine feste Band angewiesen ist – andererseits aber auch, daß er dafür zumindest in diesem Fall einen Preis zu zahlen hat In Danny Pearson (Baß) und Bruce Kaphan (Piano, Pedal Steel) standen Eitzel bei seinem Solo noch zwei alte AMC-Mitglieder zur Seite, während Simon White (ehemals Disposable Heroes Of Hiphoprisy) trommelt. Doch für die Rolle des abtrünnigen Gitarren-Wizzard Vudi heuerte Eitzel ausgerechnet den Verlorenheits-Trompeter Mark Isham an. Und der führt Eitzels latenten Manierismus auf ein weites, offenes Feld, statt ihn frozzelnd in die Enge zu treiben. Wenn Eitzel sich dann in „Saved“ die Wärme imaginärer Arme herbeisehnt gegen „no safety in this world“ und Isham gleich darauf die Klagemauer erklimmt, sind wir schnell in der Grauzone geschmäcklerischen Kunsthandwerks.

Aber nicht in Las Vegas, wo Eitzel irgendwann vielleicht mal hin möchte.

Der Verlust des Reibungspols macht sich nicht nur in Details bemerkbar, sondern gerade auch im Gesamtbild. So gerinnt Leben auf „60 Watt Silver Lining“ zum langen, leidenden Fluß, der – immer wieder – Freudentränen sprudeln läßt aus der Quelle seiner Pein. Natürlich stößt das eine oder andere Apercu angenehm auf, etwa wenn Eitzel seine Hauptfigur in „Some Bartenders Have The Gift Of Pardon“ 1970 über San Franciscos Haight Ashbury flanieren läßt, „right after (it… finally chocked on its own vomit“. Und die Touristen-Impression „Southend On Sea“ wirkt mit ihrem üppigen Brass-Arrangement auch musikalisch mal angenehm munterer, darf aber leider erst kurz vor Toresschluß einen anderen Akzent setzen.

Ganz zum Schluß, nachdem das Flugzeug dann doch abgestürzt ist (ohnehin stand gleich fest: „There Is No Easy Way Down“), flüchtet Mark Eitzel halbblind in den schönen Schein: „Everything Is Beautifiil“ gerät noch einmal zur bewegenden Andacht – zur großen Fata Morgana eines Fatalisten, der gegen den Verlust der letzten kleinen Utopie ansingt.

Selbst im Scheitern kann man Mark Eitzel ein gewisses Format eben nicht absprechen. Doch wird selbst stoische Konsequenz irgendwann ein bißchen öde, wenn sie fast nur noch offene Türen einrennt.

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