Mark Knopfler :: Kill To Get Crimson

Vergangenheitswanderungen in Zeitlupe laden zum Verweilen ein

Mit seinem letzten Album hat Mark Knopfler sich ja einmal mehr besonnen auf das, was ihm wirklich gefällt und auf eine organische Arbeitsweise ohne Schnickschnack. Das neue, klanglich ähnliche Album ist nicht am Strand von Malibu, sondern in Knopflers neuem Studio in West London entstanden, und beide Orte haben etwas gemeinsam: Sie sind eine Art musikalischer Lese-Sessel, in den Knopfler sich zurücklehnen kann. Um zu sinnieren, um zu verstehen, um die losen Fäden in seinem nur langsam arbeitenden Kopf zusammen zu bringen.

Seit Knopfler unter seinem eigenen Namen veröffentlicht, wirkt seine Musik wie ein langer Abspann – ein Epilog oder ein Fade-out -, und beides bringt ja oft sehr schöne Momente. Vor allem die späten Fünfziger und frühen Sechziger sind das Ziel dieser fast wie ein Abschied wirkenden Vergangenheitswanderungen. Knopfler denkt an dieses und jenes, hat konkrete Geschichten vor dem geistigen Auge, viel mehr noch aber diffuse Bilder und gefühlte Erinnerungen, denen er einen Sinn zu geben versucht. So als wären sie Teil eines großen Rätsels, das er unbedingt lösen muss.

Die Musik auf der neuen Platte ist wieder unspektakulär und fast über die Maßen ereignislos. Man kann sich schnell abwenden, weil nichts Aufregendes passiert und Knopfler allzu behäbig wirkt – diese Lesart ist verständlich und legitim. Für Menschen mit Aufmerksamkeitsdefizitsyndrom kann „Kill To Get Crimson“ eine schwere Prüfung sein, kaum zu schaffen.

Doch gleichermaßen kann man auch verweilen und versuchen, Knopflers Zeitlupengedanken und Zeitlupenakkorde nachzufühlen. Eigenzeit! Wenn man Knopfler aber im Sinne von Stan Nadolnys „Die Entdeckung der Langsamkeit“ versteht, ändert sich die Perspektive. Man schätzt dann die Schönheit des maritim folkloristischen, überlangen „Heart Full Of Holes“, den subtil-behutsamen Jazzrock von „The Scaffolder’s Wife“, den demütig sentimentalen Country von „True Love Will Never Fade“, und man hört auch die große Stille in Liedern wie „We Can Get Wild“ oder „Secondary Waltz“, die den britischen Folk der Sechziger zitieren.

Man kann Knopfler nicht mehr kritisieren, sondern nur noch vorsichtig lesen wie ein altes Buch – oder besichtigen wie einen Garten des National Trust.

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