Martin Carthy – Signs Of Love

Zehn Jahre sind seit Jiight OfPassage“ vergangen, der letzten Solo-LP des wichtigsten Folk-Künstlers Britanniens. Nicht daß Martin Carthy untätig gewesen wäre. Die legendäre Partnerschaft mit Fiddler Dave Swarbrick wurde mit neuem Leben gefüllt, und die beiden Alben, die der Meister mit Tochter Eliza und Gattin Norma Waterson unter dem Moniker Waterson:Carthy veröffentlichte, sind schon jetzt Klassiker des Brit-Folk.

Carthy ist so sehr Konstante und Kristallisationsfigur englischer Folk-Herrlichkeit, daß ihm die Queen neulich denselben Orden ans Revers heftete wie seinerzeit den Beatles. Diesen MBE nicht anzunehmen oder zurückzugeben wie einst John Lennon sei ihm wohl in den Sinn gekommen, sagt Carthy, doch dann habe er ihn angenommen, nicht für sich selbst, sondern stellvertretend für Sam Larner und Walter Pardon, die unerschrockenen Traditionalisten und Bewahrer britischen Liedguts.

„Signs Of Life“ knüpft an das vergleichsweise komtemporär anmutende Massage“ an, ist eher noch abgeklärter und gesetzter als der Vorgänger, hält aber eine ganze Reihe schöner Überraschungen bereit Die erste ist fast ein Schock: Martin Carthy sings

the Bee Geesl Schier unglaublich, wie der Stilist durch Reduktion und Ernsthaftigkeit den frühen Gibb-Song „New York Mining Disaster, 1941“ auf die Beine stellt und adelt. Frappierend, was das einst pappige Stück Pop hergibt, wenn man es verlangsamt und gemessen, aber ingeniös instrumentiert. Eliza Carthys Fiddle koloriert, während des Vaters exemplarisches Gitarrenspiel den verhaltenen Rhythmus eines Funeral March anschlägt und seine tieftraurige Intonierung tatsächlich das theatralische Kastrato der Gebrüder Gibb vergessen macht, wenigstens für knapp vier Minuten. Wobei Carthys Umbenennung des nun gar nicht mehr sentimentalen Songs in „New York Mine Disaster, 1941“ sicher weniger bedeutsam ist als seine Substituierung von „baby“ durch „lover“ in „Heartbreak Hotel“, einer weiteren unerwarteten Materialwahl. Die freilich mußte musikalisch nicht umgedeutet werden, ist sie doch bereits bei Elvis reinste Verzweiflung und Seelenfblter.

Hoagy Carmichaels JHong Kong Blues“ und Bob Dylans „The Lonesome Death Of Hattie Carroll“ gehören ebenso zu den Höhepunkten wie Carthys Neufassung der epischen Folk-Ballade „Prince Heathen“, sein Flaggschiff gewissermaßen, seit er es gemeinsam mit Swarb Ende der 60er Jahre zu einem der Standards des Fblk-Revival machte. Und, last not käst, „The Wife Of Usher’s Well“, ein altes Lied über verzehrende, selbstvergessene, endlose Trauer.

Puristen werden viel zu mäkeln haben an „Signs OfLife“, und wahr ist, daß Martin Carthy bessere und fraglos wichtigere LPs gemacht hat in den letzten 35 Jahren. Doch er muß nichts mehr beweisen, uns nicht, und schon gar nicht sich selbst. 4,0

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