Mary J Blige – Stronger With Each Tear

Der Mann ist doch auch nur ein Investment. Was – wie viele? – Frauen beim Shoppen mit ihrem Liebsten meist nur knapp zu denken wagen, Mary J Blige besingt es auf ihrem neuen Album mit betörend selbstverständlicher Chuzpe. „Tryin‘ to take my man is like tryin‘ to take my money, and tryin‘ to take my money – well, just ain’t happenin“, bringt die Königin aus der Bronx den merkantilen Mehrwert von Gefühlen knackig auf den Punkt und empfiehlt zwecks Nebenbuhlerin-Abwehr in klassischer Soul-Diktion besondere Wachsamkeit zwischen Kühlschrank und Mikrowelle. „Never let a girl cook in your kitchen!“

Der auf lässigen Piano-Akkorden marschierende R&B-Schwinger „Kitchen“ eröffnet auf „Stronger With Each Tear“ ein tolles Old-School-Finale, welches die dramatisch akzentuierte „Wenn sich Hitze und Staub gelegt haben“-Beschwörung „In The Morning“ in den schönsten dieser insgesamt zwölf Songs münden lässt. Aber Blige wäre nicht Blige – die immer wieder auch mit sich und ihrem (Markt)Wert ringende Queen des Zweifels -, würde sie sich nur an halbwegs Bewährtem festhalten, das hier fast ein bisschen

verschämt erst spät zum Zug kommt. Nein, sie kann jetzt auch ganz anders, mit ein bisschen Auto-Tune. Das klingt bei dieser Stimme per se wie Frevel, doch für sie scheint sich hier ganz unideologisch einfach ein weiteres Experimentierfeld zu öffnen. Und das ist dann für einen Flop wie „The One“ genauso gut wie für die veritable Dancefloor-Sause „I Feel Good“. Die obligatorische Rap-Einlage (T.I.s beherztes „Good Love“) darf auch nicht fehlen. Müssen wir über den Titel reden? Nach „No More Drama“ oder „Growing Pains“ komplettiert er nur das Bild der immer wieder aus Schmerz neu geborenen Überlebenskünstlerin, aber mal ehrlich: Stärker mit jeder Träne – damit wäre bei uns nicht mal Jochen Distelmeyer in seiner Münchner Freiheit-Phase durchgekommen. Aber wenn Mary J Blige dann davon singt und im mitreißenden „Each Tear“ den emotionalen Mehrwert jeder Augenwässerung für die Menschwerdung predigt, will man reflexhaft doch gleich ein Taschentuch zücken. Es könnte ja sein, dass diese Frau einen mit ihrem Gefühls-Investment mal wieder ganz kalt erwischt.

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