Matthew Sweet – Girlfriend

Es war das dritte Album dieses Burschen aus Lincoln, Nebraska, und als sein Plattenmann abberufen wurde, schien die Platte verloren zu sein. Bud Scoppa von Zoo Records in Los Angeles vermittelte das fertige Album schließlich listig seinem Chef, woraufhin „Girlfriend“ einige der leidenschaftlichsten Kritiker-Elogen des Jahres 1991 erntete. Wiederum Scoppa erklärt in den Liner Notes den – kommerziell freilich bescheidenen – Erfolg mit der veränderten Rock-Landschaft nach „Nevermind“ und illustriert die These mit der Anekdote, die Labels hätten damals die laufenden Torneen ihrer Hair-Metal-Bands absagen wollen.

Doch warum Matthew Sweet, ein 24-jähriger R.E.M.-Adept, der Musik wie ein Alter machte, obwohl er Neil Young gerade erst entdeckt hatte? Die Demos, die Sweet allein in New Jersey aufgenommen hatte, erinnerten seinen Produzenten an Crazy Horse, die Sweet nicht kannte. Wohl aber kannte er Television, weshalb er die Gitarristen Richard Lloyd und Robert Quine verpflichtete. Freund Lloyd Cole half im Studio, außerdem der Produzent und Schlagzeuger Fred Mäher – und Greg Leisz, der für die Sessions in New York verpflichtet wurde. Sweet hatte nämlich auch Gram Parsons entdeckt und wollte eine Pedal Steel in einige Songs integrieren. Leisz hörte in den Räumen über dem Studio 54 die abenteuerlichen Improvisationen von Robert Quine, die später penibel zusammengesetzt wurden. Fehlendes Reverb und der nach vorn gemischte Gesang bedingten den „trockenen“ Sound der Platte.

Die Gitarrenarbeit war zu jener Zeit einzigartig, und Sweet war auch beinahe der einzige Musiker seiner Generation, der so perfekt Westcoast-Rock und Sixties-Songwriting adaptierte. Von „Americana“ war nirgends die Rede. Und Country & Western war Sweets Sache nicht. „Girlfriend“ entstand in den Turbulenzen zwischen Sweets gescheiterter Ehe und einer neuen Liebe, aber besungen werden nicht die Wonnen der Erotik, sondern die bitteren Einsichten nach dem Ende: „Thought I Knew You“, „Looking At The Sun“, „You Don’t Love Me“, „Does She Talk?“ – allerdings zu sonnigen Melodien. Das Album sollte „Nothing Lasts“ heißen, doch die Schauspierlein Tuesday Weld, deren Jugendbildnis von Sweet für das Cover ausgesucht worden war, verbot diesen Hinweis auf ihre Vergänglichkeit. Man behielt das wunderbare Foto und ließ den Titel fallen, freilich nicht den Song „Nothing Lasts“.

Das Gefühl, ganz allein auf der Welt zu sein – wie er in „Winona“ singt – verließ Sweet nicht mehr. Zwei Jahre später machte er eine noch bessere, brutalere, depressivere Platte, „Altered Beast“. Die Frau war schon wieder weg. Doch es wurde noch finsterer: Heute singt Sweet mit Susanna Hoffs alte Lieder der Beach Boys und Beatles nach. Die ruinierte Karriere dieses großen traurigen Songschreibers ist so tragisch wie ein Lied desselben Mannes. Mit den Thorns und schrecklichen Psychedelia-Versuchen verschwand Sweet immer weiter aus dem Bereich der Wahrnehmung. Er hätte die Welt aus den Angeln heben können, aber es blieb nur der liebliche Harmoniegesang. Aufder zweiten CD hören wir „Goodfriend“, 1992 eine Beigabe für DJs mit Live-Versionen und Demos sowie Neil Youngs „Cortez“ und Lennons „Isolation“. Darunter ist auch schon jener unfassliche Song, der dann auf „Altered Beast“ erschien:

„Someone To Pull The Trigger“. Da geht die Sonne nicht mehr auf.

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