Spiritualized – Artillerie

Jason Pierce, Chef von Spiritualized, befürchtet den Tod der Rockmusik.

„Ich bin kein Perfektionist“, sagt Jason Pierce und ringt sich ein leeres Lächeln ab, das gut zu dem abgekämpften Eindruck passt, den er, der alte J. Spaceman, abgibt. Er weiß selbst, dass man ihm einen solchen Satz nicht abnehmen kann. Im Oktober 2011 hatte Pierce das siebte Spiritualized-Album „Sweet Heart Sweet Light“ mit 58 Musikern in der Londoner Royal Albert Hall uraufgeführt – unangekündigt. Das sei keine selbstherrliche Geste gewesen, sagt Pierce: „Ich habe diese Artillerie im Rücken gebraucht, damit niemand merkt, wie unsicher ich war.“

Schuld am Unbehagen waren die eigenen Songs. Dabei hatte er die Aufnahmen mit einer ausgedehnten Akustik-Tour verbunden, die dem davonfliegenden Spiritualized-Sound früherer Werke abgeschworen hatte. In Island rekrutierte Pierce das Streicherquartett Amiina, in L.A. fand er Singstimmen mit dem kessen Tremolo der Mädchen aus Leonard Cohens „So Long Marianne“. Sein Vorhaben: ein Pop-Album für das Jetzt. „Die Songs haben sich einer Balance aus Dynamik und Lautstärke komplett widersetzt. Ich war wie ein Maler, der mit jedem Strich sein Bild immer mehr verschandelt.“ Am immer stumpferen Lautstärkekrieg wollte sich Pierce nicht beteiligen. Warnendes Beispiel war ihm Brian Wilson: „‚Smile‘ klingt leider grauenhaft. Das Album wurde nicht für dieses zu Tode komprimierte Musikzeitalter gemacht.“

Pierce, mittlerweile 46, wird ohnehin ganz wehmütig, wenn er über Platten von Patsy Cline, Willie Nelson, Neu! oder The Cramps spricht. „Vielleicht wird Rock’n’Roll schon der nächsten Jugendgeneration fremd sein.“ Womöglich singt Pierce deshalb mit seiner elfjährigen Tochter Poppy im letzten Stück des Albums eine Art Abzählreim, ehe sich Spiritualized mit großer Geste verabschieden: „So Long You Pretty Things“.

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