Mavis Staples One True Vine :: Chancengleichheit? Na ja, es kommt schon mal darauf an, wo man so hineingeboren wird. Spencer Tweedy etwa macht bisweilen nicht unbedingt das, was andere Jungs in Chicago in seinem Alter (17) sonst so machen. Erst durfte er dieses hübsch sinnfreie Klassenzimmer/Flurrutsch-Video drehen. Kann heute natürlich prinzipiell jeder, aber nicht jeder gleich für einen Song von Wilco („Whole Love“). Tja, und jetzt hat Tweedy Sr. – außer den in diesem Fall stilistisch gebotenen Background-Sängern und Bläsern -nur einen festen Begleitmusiker für das neue Album von Mavis Staples beschäftigt. Genau: den Junior. Der Protektionismus funktioniert, weil dieser Spencer

Tweedy schon ein ziemlich talentierter, temposicherer Schlagzeuger ist. Mühelos meistert er nicht nur den lässigen Funk-Groove des 71er-Funkadelic-Klassikers „Can You Get To That“, und dann immer wieder diese feinen ghost notes Hat Spencer vielleicht ein paar Stunden beim famosen Wilco-Drummer Glenn Kotche genommen? Womit wir dann wieder bei der Chancengleichheit wären.

Naheliegend verfuhr Produzent Jeff Tweedy auch bei der Songauswahl für sein zweites Album mit der Gospel-Soul-Ikone (nach dem Grammybedachten „You Are Not Alone“ vor drei Jahren). Was „One True Vine“ allerdings nicht unbedingt zum Vorteil gereicht. Lows „Holy Ghost“ etwa scheint Mavis Staples gleich mal wie auf den Leib geschrieben. Ist es auch, aber zu sehr, wie man dann feststellt, dieses Moment der Irritation vermissend, welches dem Original mit dem verzagten Tremolo von Mimi Parker innewohnt. Auch Nick Lowe wurde von Jeff Tweedy konsultiert, man hatte sich anno 2011 auf einer US-Tour persönlich kennengelernt. Der Brite schickte mit „Far Celestial Shores“ ein solides Genre-Stück im patentierten Lowe-Style, ohne dass der Transfer so zwingend wirkt wie einst bei Johnny Cashs „The Beast In Me“.

Der Rest sind Gospel-Traditionals („What Are They Doing In Heaven Today“,“Sow Good Seeds“), der als Früh-70er-Stax-B-Seite und „Wattstax“-Beitrag bisher unterbelichtete Staples-Singers-Oldie „I Like The Things About Me“(der Tweedy Sr. auch mal zu einer Bratz-Gitarre ermuntert, während Sohnemann wieder groovt, als wäre er schon beim Original dabei gewesen) und drei sehr gelungene Stilübungen von Jeff Tweedy selbst. Gelungen auch deshalb, weil „Jesus Wept“, der Titelsong und das dunkler grundierte „Every Step“ in jeder Nuance und Wendung hör-und fühlbar machen, wie weit der Weg zu jeder Art von Vergebung und Erlösung sein kann. Sogar für Mavis Staples: „I was last in line for the one true vine, endless winding thread “ (Anti/Indigo) JÖRG FEYER

Scout Niblett

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