MC 900 Ft Jesus – One Step Ahead Of The Spider

Notizen aus der amerikanischen Provinz, Part 373. Ein Riesenparkplatz, fast leer, ein Auto, das eben deshalb fast wie ein Spielzeug wirken muß, am endlosen Horizont eine unerbittliche Sonne, die bald wie ein glutroter Feuerball versinken wird. Als die Frau sich nach ihrem Schlüssel auf dem sengenden Asphalt bückt, schüttelt sie kurz ein Dejà-vu. Die Musik hält kurz inne, atmet dann aus: vorbei, vergessen – komm, Darling, Kilometer fressen! Immer schneller. Der Mittelstreifen zerrinnt wie Sandkörner unter ihrem Wagen. Ein paar Minuten bestimmt-beiläufigen Sprechgesangs und verzwirbelten Grooves später kommt, was kommen muß: Knochen brechen, Fleisch reißt – „in einem explosiven Schauer aus Glas und Blut“ segelt die Dame durch die Windschutzscheibe, hinein in die ewige Stille. Und Flannery O’Connor läßt grüßen, beispielsweise.

Gewaltkundigen Literaten fühlte sich Mark Griffin alias MC 900 Ft Jesus ja schon immer verbunden. Auf seinem letzten Album „Wekome To My Dream“ (1991) verarbeitete der Texaner einen Krimi von Jim Thompson („The Killer Inside Me“). Und rief mit „The City Sleeps“ die Zensur-Gelüste einiger Feuerwehr-Offiziere wach: Die beklemmende Innenschau eines psychotischen Zündlers nötigte angeblich zur Brandstiftung. Tja, wer die Geister von Suburbia ruft, wird sie nicht mehr los, und sei’s in einem Possen-Spiel.

Den langen storyteller-Atem, den Griffin im eingangs beschriebenen Auftakt „New Moon“ von „One Step Ahead Of The Spider“

über satte 11:41 Minuten fast wie ein Denkmal auf den Sockel hievt, hält er natürlich nicht durch. Wo er es doch nochmal versucht, mißglückt es: Denn der Song „Bill’s Dream“, ein achtminütiges Instrumental hart an der Grenze zum Niemandsland der elaborierten Sound-Tapete, bleibt nur prätentiös und völlig ohne die doch wohl intendierte Verbindung zum vorangegangenen „New Year’s Eve“, wo eben jener Zeitgenosse, ein furzendes Popcorn-Monster an Silvester im Zwiegespräch mit seinem besten Freund (na klar: dem Fernseher), nach einem letzten Kraftakt der guten Vorsätze schnarchend entschlummert war.

Wie soll man das nennen? „Fusion“ vielleicht, wenn es nicht so zum Schimpfwort degeneriert wäre. Das erinnert manchmal an die beste Santana-Ara, zu Zeiten von „Borboletta“ und „Caravanserai“, nur daß diese Musik hier nicht regelmäßig einem Höhepunkt entgegenköchelt, auf dem onanistische Gitarren-Orgasmen kommen können, sondern sich meist als dezent konturiertes soundscape genügt für einen Erzähler und Inszenator, der in seinen besten Momenten („If I Only Had A Brain“, „Buried At Sea“) wohl auch ganz ohne Klang-Kulisse bestehen könnte.

Bleibt nur eine Frage: Warum rief Griffin keiner von denen an, die im vergangenen Jahr für den Curtis-Mayfield-Tribut verantwortlich waren? Seine wunderbare Version von „Stare And Stare“, die mit Vernon Reid (Living Colour) als subtilem Gast an der Gitarre genau die Lücke zwischen innovativem Anspruch und respektvoller Huldigung ausfüllt, hätte die saturierte Star-Show gehörig aufgewertet.

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