Me And Cassity :: Appearances
Dirk Darmstaedters fluffige Songs haben auch eine dunkle Seite.
One-Hit-Wonder sind oft traurige Jungs. Sie machen auf Oldiefesten den Affen oder mischen angezeigte Zutaten wahllos zusammen, um doch noch eine neue Erfolgsrezeptur zu finden. Dirk Darmstaedter ist ein One-Hit-Wonder, aber eine traurige Gestalt ist er nicht. Als Sänger der Jeremy Days stand er dem Verführer Hype Aug in Aug gegenüber, 1988/89 war das, als er mit Pilzkopf und „Brand New Toy“ Radiosender und Mädchenzimmer eroberte. Doch die Band stagnierte, und Darmstaedter hob als Nachfolge-Bandprojekt Me And Cassity aus der Taufe. Drei harmonieselige, rückschauende Indie-Pop-Alben entstanden um die Jahrtausendwende, mit Songs wie „Number One Single“ oder „My Hit“, bei denen man förmlich die Zunge in der Wange hörte. Nach eher akustischen Solos versucht der Hamburger nun wieder die größere Band-Form.
Schienen ehemals die Beatles durch, orientiert er sich nun auch an Sounds der Antipoden aus Kalifornien. In fünf Studiotagen (plus Nachschlag in Schweden) nahmen er und die Musiker zehn fluffige Nummern live auf, denen der Brückenschlag zwischen Beach Boys, Spektor/Bacharach, Countrypop und nach wie vor Dylan mit Vibrafon, gestopften Bläsern, Streichern, Keys, Lapsteel, Harp und allerlei Weiterem locker gelingt. Auch wenn Darmstaedters helle Stimme nicht ganz frei ist von Manierismen, trägt sie die sonnendurchfluteten Lieder leicht. Aber Vorsicht: Klanglich mögen sie die Kernigkeit von Marshmellows haben, aber Darmstaedter mag das Doppelbödige: „It’s just never as cool as it appears“. So ätzt er, von hübscher Gefälligkeit umwölkt, über die Ex („Her eyes are like coal and her voice like a road stop sign“ in „This Side Of Tomorrow“), zetert über anmaßende Partnerinnen („Appearances“) und die „Stupid World“ der irre gewordenen Finanzwirtschaft.
Es endet alles scheinbar happy mit viel Lalala-Laalaa – und mit immer schwerer wuchtendem Dröhnen. „Riots at the airports and the subway stations. Is the world about to end?“, fragt er in „Lovers Of Solitude“. Sirren, Brutzeln, Knispeln und plötzlich – Stille. Aber seltsam: And we feel fine. (Tapete Records/Indigo) Rüdiger Knopf
Beste Songs: „Fred Astaire“, „Stupid World“