Merle Haggard :: If l Could Only Fly

The Hag is back. Damit war ja nicht mehr zu rechnen, die Legende hatte sich zuletzt nur noch verbittert geäußert. Nichts widerte den Poeten des Blue-Collar-Workers so sehr an wie die in Nashville vom Fließband laufenden Nachfolgemodelle. Yuppie-Merles, parfümiert und auf derb gestylt, die den Rebellen von Bakersfield idolisierten, ohne je geschuftet oder gar gehungert zu haben. Während Haggards eigene Musik nicht mehr vorkam in den Playlists der urbanisierten Dudelwellen, die heutzutage so unter Country Radio firmieren.

Das betraf freilich auch andere verdiente Veteranen der Country Music. Johnny Cash etwa, dem mit Hilfe von Rick Rubin ein Comeback auf fremdem Terrain gelang. George Jones, dem das Rock-Label Asylum eine Heimstatt bot, nachdem ihn das neue Nashville-Establishment an die Luft gesetzt hatte. „Was diese geschniegelten Arschlöcher mit George machten“, sagt Haggard, „brachte mich fast um den Verstand.“ Und er schwor, nicht mehr wohlfeile Manövriermasse zu sein für die verachteten Schnösel an den Schaltstellen der Country-Industrie.

Enter Epitaph. Ein Label, das auf Neo-Punk gebaut ist und mit juvenilen Acts arbeitet wie Rancid oder Pennywise. Ein Label, das indes noch von Musik-Freaks geführt wird, die dazulernen und ihre Basis verbreitern wollen. Im letzten Jahr gelang ihnen mit der Tom-Waits-LP „Mule Variations“ ein Millionseller, der für Aufsehen sorgte. Belegte er doch, dass die Gewährung künstlerischer Autonomie nicht im Widerspruch stehen muss zu den Mechanismen des Marktes. Eine Erkenntnis, der sich dann auch Merle Haggard nicht verschließen mochte. Er gab dem Werben der Epitaph-Eigner nach, zog sich ins Studio zurück mit den Strangers, seiner Backing Band seit rund 35 Jahren, und einem Dutzend Songs.

Entspannt müssen diese Sessions verlaufen sein, denn „If Could Only Fly“ ist ein friedfertiges Album geworden, voller wehmütiger Erinnerungen und harten, aber fairen Urteilen über die Nachwelt. Mit 63 Jahren schlägt der früher Unversöhnliche, der nur die Hände mit Schwielen zu schütteln pflegte, kaum noch eine Hand aus. Und seine Stimme, die scharf sein konnte wie eine Rasierklinge, nimmt des öfteren einen freundlichen, beinahe defensiven Ton an. Wenn er etwa im Opener „Wishin‘ All These Old Things Were New“ observiert, dass es seine Kinder und Kindeskinder nicht schätzen, wenn er raucht: „They say it’s time that dad should lay tobacco down.“ Er aber, Merle, würde wohl wieder alles so und vieles falsch machen, könnte er von vorne anfangen.

Musikalisch war Haggard seit den Siebzigern nicht mehr so süperb. Aufs Wesentliche reduziert sind die Arrangements, passend zu den sehnsuchtsvollen, sentimentalen, niemals aber schmachtenden Tunes. Honky Tonk dominiert, doch „Bareback“ ist Western Swing in Hank-Thompson-Tradition, und jazzige Flexionen durchziehen das Album ebenso wie stilistische Reminiszenzen an Roy Acuff oder Lefty Frizzell. „He’s mellowed“, sagt Johnny Cash über den Freund, „and yet he’s harder, if you can understand that.“ Können wir: Ol‘ Hag is back.

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