Merle Haggard :: Roots Volume 1

Ein lang gehegter Wunsch wird wahr: Haggard singt Honky Tonk Music.

Die Jahre des Aufbruchs nach dem Krieg erwiesen sich auch popmusikalisch als die aufregendsten der amerikanischen (und damit Welt-) Geschichte. Während die Bluesmänner das Delta verließen, um in Chicago und anderen Metropolen des Nordens den R & B aus den Tanzböden der Juke Joints zu stampfen, verdichtete sich in den Honky Tonks des Südens weiße Folk Music zu Country & Western, bevor beide Entwicklungslinien in Memphis konvergierten, kopulierten und den Rock & Roll gebaren.

Und nun, 50Jahre danach, lässt Merle sie wieder aufleben mit einem Album, das weit mehr ist als sentimentales Schwelgen in seligen Erinnerungen oder eine didaktische Übung in Musikedukation. Das schon auch. Darüberhinaus ist „Roots“ jedoch eine Liebeserklärung an das Amerika der späten Forties und frühen Fifties, eine Hommage an die unsterblichen Songs von Hank Williams und Lefty Frizzell und an eine Klangästhetik, die auf dem Weg zum Herzen des Hörers keine Umwege macht. Schließlich ist“Roots“ ein unwahrscheinlicher Glücksfall, denn es ist der legendäre, verschollen geglaubte, greise Gitarrist Norman Stephens, der einst für Frizzell gepickt hatte, dessen wunderbar warmer Ton dieser Platte zusätzlichen Charakter verleiht.

Die Sessions wurden der größeren Sound-Authentizität wegen vom Studio in Haggards Haus verlegt. Der hölzerne Resonanzboden und vintage Mikros sorgten für ein Klangbild, das tatsächlich jenem sehr nahe kommt, das Produzent Jim Beck seinerzeit in Dallas für Frizzell gestaltete. Transparenter freilich und ohne den mittigen Druck der Mono-Originale, aber aller Ehren wert. Und so rekreierten Norm, Merle und seine Strangers einige große Hits des Honky Tonk. Leftys fabelhafter Schnorrer-Swing „If you’ve Got The Money, I’ve Got The Time“, sein sanft mahnendes „Always Late With Your Kisses“ oder den schmachtenden Pop-Crossover-Schwur „I Want To Be With You Always“. Je zwei Tunes von Hank Williams und Hank Thompson sowie drei neue Haggard-Songs komplettieren die stupende Sammlung, letztere selbstredend in Stil und Geist der hier gefeierten Epoche verpflichtet. Einziger kleiner (und unnötiger) Exkurs ist Haggards „Runaway Mama“, nicht so sehr, weil die verzerrte Mandoline über Gebühr stören würde, sondern weil der Song als solcher nicht viel taugt Ein minimales Manko nur. Stimmlich macht Haggard eine imposante Figur und widersteht der Versuchung, Frizzells Vokaldehnmanierismen zu kopieren. Twin Guitars, Fiddle, mehr braucht es nicht.

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