Mexikanischer Playboy :: Mit allen Wassern gewaschener Gonzo-Journalismus: „Der König von Mexiko“ von Stefan Wimmer
Dieses aufgedrehte, rasante, hundertprozentig gelogene bzw. von Halluzinogenen in der Wahrnehmung beeinträchtigte und vor allem virile Buch mit lose aneinandergefügten Geschichten fängt da an, wo Stefan Wimmers letzter Storyband „Die 120 Tage von Tulüm“ aufhört. Nämlich in Mexico City. Falkenhorst hat es mithilfe einer DAAD-Pfründe dorthin verschlagen, er drückt sich um die Dissertation, dafür lieber in Cantinas wie dem allein seligmachenden „Centenario“ herum und, tja, verpulvert das Stipendiatensalär.
Weil das natürlich bald nicht mehr reicht, schreibt er Sensationsreportagen für deutsche Boulevardblätter. Diese Arbeiten tragen ihm dann eine Festanstellung bei einem „Busenmagazin“ ein, das leicht als der „Playboy“ zu identifizieren ist. Er kehrt zurück nach Deutschland und darf miterleben wie das Heft seinen Abstieg inszeniert. In diesem längsten, ein Drittel des Buches füllenden Text beweist Wimmer, dass er auch ohne den exotischen Mehrwert Mexikos auskommt.
Diese Innenansichten aus dem Magazinalltag sind vielleicht profaner, aber nicht minder irrwitzig und komisch. Wimmer hat ein feines Gehör für Dialoge: Ob er eine prinzessinnenhafte Bildjournalistin, einen Pfälzer Karrieristen und Aufschneider, einen Münchener Proll oder einen in der Blähsprache des modernen Magazinmachers faselnden Chefredakteur zum Sprechen bringt, sie alle haben ihre ganz eigene, unverwechselbare Physiognomie. Und auch seine kleinen, an der hard boiled Krimi-Tradition geschulten Manierismen zeugen von einer ganz ansehnlichen Sprachpotenz. (Eichborn. 19.95 Euro)