Mulholland Drive :: Regie: David Lynch
Zu „Lost Highway hatte David Lynch in einem dicken Presseheft so viele verschiedene Interpretationen mitgeliefert, dass man vom Lesen schließlich noch verwirrter war als nach Ansicht des Films. Beim letztjährigen Filmfest von Cannes, wo „“Mulholland Drive“ den Regiepreis erhielt, harte er nur ein paar Papierseiten mitgebracht, auf denen Fotos zu sehen waren und ein Satz stand: „“Eine Liebesgeschichte in der Stadt der Träume.“
Lynch würfelt nicht. Jedes Bild hat einen Sinn, jedes Wort macht Sinn im babylonischen Gewirr seiner Filme. Sie sind wie schwarze Löcher oder Sternenkonstellationen in der Unendlichkeit des Universums. Alles ist eine relative Frage des Blicks. Und was immer man auch deutet, alles stimmt. „“Mulholland Drive“ ist nun wie eine Werkstattschau, bei der alles offensichtlich scheint und im nächsten Moment doch wieder rätselhaft, eine streckenweise leichthändige Fingerübung mit aberwitzigen, zum Brüllen komischen Szenen und doch so kurvenreich wie die gleichnamige Straße in den Bergen über Hollywood.
Dort fahrt eine Luxuslimousine mit einer schwarzhaarigen Schönheit (Laura Elena Harring). Als der Chauffeur anhält, um sie zu erschießen, kommt es zum Auffahrunfall mit einem anderen Wagen. Alle Insassen bis auf jene Frau sterben. Sie taumelt die Böschung hinunter, versteckt sich in einem Haus und schläft ein. Stunden später kommt Betty (Naomi Watts). Das blonde Mädchen ist die Nichte der zu Dreharbeiten verreisten Besitzerin und gerade in L.A. gelandet. Sie ist aufgekratzt und naiv wie eine Karikatur, „“wäre gerne ein Filmstar, noch lieber eine gute Schauspielerin“, und hat am nächsten Tag einen Termin zum Casting. Erst jetzt merkt die fremde Frau, die Betty für eine Freundin ihrer Tante hält, dass sie ihr Gedächtnis verloren hat – und nennt sich Rita nach einem Namen auf einem Filmplakat von „“Gilda“. Als sie Betty später ihr Dilemma erklärt, bietet die ihr gut gelaunt Hilfe an.
Nebenbei schiebt Lynch zwei weitere Handlungsstränge ein: über einen hippen Regisseur (Justin Theraux), der bei der Besetzung einer weiblichen Haupt rolle von der Mafia bedroht wird, und mit einem Amateurkiller, der auf makabre Weise fast einen Job vermasselt. Beide haben im unmerklich verschachtelten Ablauf zunächst nichts mit Betty und Rita zu tun, die sich inzwischen ineinander verliebt und eine Frauenleiche gefunden haben. Dann überreicht ihnen in einem abseitigen Theater ein Magier einen blauen Kasten. Als sie ihn öffnen, wandeln sich nicht nur ihre Charaktere, sondern finden auch die anderen Figuren zur Geschichte.
Assoziativ legt Lynch von Anfang an mit Dialogen, Personen, Räumen und Gegenständen, die als doppelte Spiegelung funktionieren, Köder aus und Fallen an. Alles nur geträumt, ein Albtraum der Porno- und Drogenkarriere, die schizophrene Phantasie eines gescheiterten Traumes und einer enttäuschten Liebe?