Mutter :: Trinken Singen Schießen

Die Berliner wehren sich weiter gegen die Zumutungen des Alltags.

Trotz Fans wie Jochen Distelmeyer und Tocotronic sind die fünf Musiker der Berliner Band Mutter nach wie vor Außenseiter. Für die einen sind sie schwierige Sonderlinge, für andere hintersinnige Genies. „Wenn man nicht mehr verstehen kann, was man nicht verstehen will/ Wenn der Fortschritt, den man hatte, zum Rückschritt geworden ist“, klagt der Sänger Max Müller (47) in „Die Alten hassen die Jungen“ über die Borniertheit der Etablierten und Abgeklärten. Dazu wühlt ein Orchester (oder etwas, das so klingt wie ein Orchester) in Götterdämmerungen und Scott-Walker-Stimmungen. Zum Schluss bleibt Müller nichts als das manisch wiederholte Fazit: „Die Alten hassen die Jungen, bis die Jungen die Alten sind.“

Seit 22 Jahren sind sich Mutter treu geblieben, auf ihre eigenwillige widerständige Art. Die Stimme Müllers ertrinkt auch heute noch oft im Dröhnen der bleischweren Akkorde. Doch es gibt auf diesem Album auch viele leise, verletzliche und persönliche Momente. „Trinken Singen Schießen“ handelt von Notwehr gegen die Zumutungen des Alltags, den Worthülsen der Großsprecher und der Sehnsucht nach so etwas wie Liebe. Es ist eins der besten Mutter-Alben überhaupt, das abwechslungsreichste sowieso. Raffiniert wechselt die Band die Klangfarben und Dynamiken.

Max Müller liefert dazu die schönste und wahrhaftigste Lyrik, die man derzeit auf deutschen Tonträgern finden kann: „Denn diese Welt ist nicht gerecht zu dir/ Und sie nimmt dich nicht in den Arm“, stellt er in „Diese Welt“ nüchtern, aber ohne jede Bitterkeit fest. Vielleicht werden uns kommende Generationen fragen: Warum zum Teufel habt ihr diese Band nicht so gefeiert, wie sie es verdient? Dann können wir nur mit den Schultern zucken und mit Müller antworten: „Denn diese Welt ist nicht gerecht zu dir und sie sagt nicht Dankeschön.“ (Die eigene Gesellschaft) Jürgen Ziemer

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