Neil Young A Letter Home :: Eine knisternde Schallplatte mit geschrummten Lieblingsliedern
Man kann nicht behaupten, dass der alte Querkopf nicht immer noch für Überraschungen gut sei. „A Letter Home“ ist kein Album mit Adaptionen von Songs, wie man es von fast jedem alternden Musiker (und manchem jungen) kennt: Onkel Neil mietete sich für die, na ja, Aufnahmen bei dem ähnlich authentizitätsvernarrten Jack White in dessen Third Man Studio in Nashville ein und spielte ein Dutzend Lieder, die er mit einem Voiceografen von 1947 aufnehmen ließ. Das Studio muss man sich offenbar als eine Kabine vorstellen, die einer Telefonzelle gleicht.
Eröffnet wird das Album von Neils „letter home“ an seine verstorbene Mutter, die wie -aaaah! – eine längliche Nachricht auf dem Anruf beantworter klingt. Zu Beginn der zweiten Plattenseite meldet sich der Sohn noch einmal und erklärt Muttern, wo und wie er das Album aufgenommen hat. Alles angenehm skurril.
Neil Young singt also Songs von früher, und früher ist ziemlich früh: „Changes“ von Phil Ochs und „Needle Of Death“ von Bert Jansch, „Girl From The North Country“ von Dylan und „My Hometown“ von Springsteen, zweimal Willie Nelson („On The Road Again“ und „Crazy“), „Reason To Believe“ von Tim Hardin. Die beiden Stücke von Gordon Lightfoot, „If You Could Read My Mind“ und „Early Sunday Morning Rain“, sind auch eine Hommage an Youngs Landsmann. Die Gitarre schollert, die Mundharmonika plärrt, manchmal kommt ein Klimperklavier dazu. Selten hat eine Platte so gruftig geklungen – es knarzt, knackt und knistert, die Lautstärke schwankt: ein Tort. Aber andererseits kann man sich kaum anrührendere Versionen der Stücke vorstellen, die Young andächtig mit zitteriger Knabenstimme singt.
Als Zugabe zu der Audio-verité-Schallplatte wird eine „Deluxe Box“ veröffentlicht, die das Album als „Standard LP“ („black vinyl“), sieben Singles („clear vinyl“) und eine DVD mit einem Film von den Aufnahmen enthält. Womit um das denkbar schlichteste Album der größte Aufwand getrieben wird. (Third Man/Warner)