Neil Young & The Chrome Hearts
„Talkin’ To The Trees“ – Trümmer
Warner (VÖ: 13.6.)
Ein schütterer Reigen aus Wut, Nostalgie und Dankbarkeit.

Richtige Songs schreibt Neil Young schon lange nicht mehr, circa seit „Silver & Gold“ (2000). Aber was soll’s! „It’s all one song“, hat der Meister schon vor Jahrzehnten verkündet. Und so rumpelt und rattert, rifft und rödelt der Alte stoisch immer weiter. „Talkin’ To The Trees“ lebt weniger von Youngs ökologischem Bewusstsein als von der Wut über die politischen Zustände in seiner Wahlheimat. „Talkin’ To The Trees“ ist daher missverständlich – „Living With Bullshit“ wäre passender. Oder „This Note’s For Trump“.
Ein Bild der USA zwischen Horror und Idyll
Mit einfachen Worten und noch einfacheren Melodien skizziert Young ein Bild der USA zwischen Horror und Idyll. Das nimmt zuweilen drollige Züge an. „C’mon, Ford, c’mon, GM/ C’mon, Chrysler, let’s roll again/ Build somethin’ useful people need“, mahnt er im schütteren „Let’s Roll Again“ und fordert: „Come on, America, let’s get in the race/ Yeah, China’s way ahead/ They’re buildin’ clean cars.“ Es könnte das Protestlied eines Viertklässlers sein. Aber sollten wir uns nicht eh alle mehr in die Jüngsten der Gesellschaft hineinversetzen?
Young klaubt hier die letzten Trümmer seines Werks auf. Das wuchtige „Big Change“ klingt wie ein Überbleibsel aus „Ragged Glory“-Tagen, „Bottle Of Love“ erinnert an die Balladen von „Sleeps With Angels“. Und „First Fire Of Winter“ geht glatt als „Helpless“-Kopie durch. Die Band um Gitarrist Micah Nelson poltert wacker in Crazy-Horse-Manier. Spooner Oldham orgelt wieder einmal selig. Und irgendwann, vielleicht im Titelsong, packt einen doch die Wehmut. „Thankful“ beschließt die Platte mit einer Demutsgeste, die noch den größten Zyniker anrühren muss. Neil Young hat den Song, den ihm das Leben geschrieben hat, längst ausgesungen. Jetzt dankt er immerfort der Schönheit der Natur, dem Frieden und der Liebe.
Diese Review erschien im Rolling Stone Magazin 6/25.