Nic Armstrong – The Greatest White Liar

Würde man sich für Wiedergeburten und ähnlichen Unsinn interessieren, man könnte fast glauben, John Lennon wäre jetzt in Nottingham zu Hause und würde sich aus unerklärlichen Gründen Nic Armstrong nennen. Der 24-jährige Ex-Kunststudent hat nicht nur eine sehr ähnliche Stimme, auch die Songs seines Debütalbums „The Greatest White Liar“ knüpfen an die Zeit an, als sich die Fab Four noch in Lederjacken auf dem Hamburger Kiez herumtrieben: Die dezent herausgewachsene Frisur und die von Liam Watson in den Londoner Toe Rag Studios aufgetauten Eddie-Cochran- und Chuck-Berry-Riffs passen ebenso gut zu dieser Vorstellung wie die zeitlos großartigen Songs.

Ginge es wirklich allein um Musik, müsste Nic Armstrong bald im Geld schwimmen. „The Greatest White Liar“ steckt voller klassisch brillanter Melodien, Harmonien und Arrangements. Gleich die ersten Gitarren-Riffs der aktuellen Single erinnern an die Garagenrock-Perle „Pushing To Hard“ von den Seeds. „Natural Flair“ ist ein Song, der sich einfach nimmt, was er braucht: „She bursts into the bedroom with a natural flair/ As I was out walking she took all I had.“ Ein paar Takte später schreit Armstrong derart manisch und wild herum, dass man glaubt, er habe sich für ein paar Sekunden in Jack White verwandelt. „Back In That Room“ ist purer Liverpool-Stomp. „Too Long For Her“ hätte auch auf „Rubber Soul“ eine gute Figur gemacht. „Scratch The Surface“ kombiniert Gesang, Gitarre und Bassdrum zu einem mitreißenden Foll’n’Skiffle-Rock. Nie ist die Musik zu süßlich, zu anbiedernd. Immer klingen auch dunkle Stimmungen an, ahnt man das raue Klima von Armstrongs Umgebung. „Music saved me from going mad“, sagt der Künstler über die Zeit vor der Veröffentlichung von „The Greatest White Liar“, das in England bereits im April erschienen ist.

Interessant für alle Kulturpessimisten: Im Falle Nie Armstrong war ein Talentwettbewerb tatsächlich einmal hilfreich und nicht nur ein Forum für ferngesteuerte Knalltüten. Gut, der Veranstalter war das relativ geschmackssichere Magazin „Dazed & Confused“, aber dennoch: Es gibt sie noch, die Qualität.

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