Nine Inch Nails – Year Zero

Vielstimmige Monotonie mit etwas simpler Endzeit-Vision.

Trent Reznor wurde immer für seine Cleverness gelobt, wenn es um die Schnitzeljagd-Kampagne für diese Platte ging, um die angeblich in Konzert-Klos ausgelegten Daten-Sticks, die in T-Shirt-Aufschriften versteckten Botschaften, die Codenummern und Rahmenhandlungen. Aber erstens hält ihn keiner für so clever, dass vielleicht auch diese News alle nur erfunden waren, und zweitens glauben höchstens die Fans (die durch ihr Nerdtum den ganzen Gag erst möglich gemacht hatten), es könne Reznor nicht bloß um Werbung, sondern auch um Kunst gegangen sein.

So naiv sind wir zur Abwechslung gern: Das Toben und die Ängste, die er früher als selbst erlittene Dämonenplage beschrieb, nun zu einer virtuellen Realität auszubauen, die bis zur Präsidentenwahl laufend aktualisiert wird – die Idee ist so logisch wie künstlerisch notwendig. Und mit den Webseiten kann man Stunden verbringen, falls man grad keine wichtigen Games zu spielen hat.

Ein rares Beispiel übrigens für einen Musiker, der ein solches Projekt entwarft, ohne selbst in irgendeiner neuen Verkleidung durchs Bild zu hüpfen. Trent Reznor ist bei „Year Zero“ nur in der Musik präsent, schon viel gelobt, völlig zurecht, vor allem für die Stellen, die an Digital-Terror-Schrottismus alles überragen, was man bei Nine Inch Nails je gehört hat. Auch wenn er als Rocker gilt: Elektronikproduzenten aller Erdteile können sich die Nase daran plattdrücken, wie hier aus Sägen, Saugen, Zirpen und Flackern unglaubliche Beatboxen zusammengenagelt werden, wie behutsam Reznor mit Federn wie mit Ambossen spielt und wie die Gitarren als muntere Würmer in toten Robotern nach Eingeweiden wuseln. Die Poppigkeiten sind misstrauischer als bei der letzten Platte, die Monotonie ist so vielstimmig wie das bronchiale Husten einer neunköpfigen Katze. Und am Ende kommen wieder Balladen.

Die schlagfertige Stärke von Reznors frühen Songwriter-Tagen findet man trotzdem nur in einigen Stücken, nicht durchgehend. Und die nähere Beschäftigung zeigt leider, dass Reznor für ein Science-Fiction-Polit-Epos dieser Tragweite eben doch als Dichter zu schlecht ist. In seiner Endzeit-Vision voller Fundamentalismus und Zensur kann man sich sogar von einer imaginären Behörde eine Mail schicken lassen, man sei ein antiamerikanisches Element. Fehlt eigentlich bloß noch der Klassiker von den Drogen, die die Regierung dem Volk ins Trinkwasser kippt.

Obwohl: Auch dazu gibt es einen Weblink.

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