Die 100 besten Musiker: Trent Reznor, Nine Inch Nails – Essay von David Bowie

Als er „The Downward Spiral“ produzierte, ermutigte er seinen Computer, Input-Signale gezielt falsch zu interpretieren

Als die Götter der Kakofonie überall in der Stadt einen Wettbewerb ausschrieben und die Rohlinge des Industrial Rock aufforderten, sich um die Noise-Krone zu prügeln, war der kleine Junge mit der Tuba wohl der letzte Kandidat, den sie im Auge hatten. Er hieß Michael Trent Reznor, spielte auch Saxofon und Klavier und hatte in frühen Jahren gelernt, wie man sich ein Mischpult dienstbar macht. Er hatte ein ungeheures Debütalbum namens „Pretty Hate Machine“ produziert, das er – aufgrund vertraglicher Verpflichtungen – drei Jahre lang live präsentieren musste. Es war wohl den verbliebenen melodischen Fragmenten zu verdanken, dass er seinen Industrial Rock einem Mainstream-Publikum zugänglich machen konnte und über eine Million Exemplare verkaufte.

Wie Brian Eno vor ihm, packte Reznor seinen Synthesizer aus, warf die Betriebsanleitung aber gleich in hohem Bogen weg. Als er „The Downward Spiral“ produzierte, ermutigte er seinen Computer, Input-Signale gezielt falsch zu interpretieren – und folglich planlose, unförmige Klangscherben auszuspucken, die den Hörer ständig schnitten, wenn nicht gar aufschlitzten. Diese Musik ist, gleich nach The Velvet Underground, das bestes Medium in der Rockmusik, um seine Seele nach Herzenslust auszupeitschen.

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Vor Jahren hatte ich einen seltsamen Traum: Lou Reed, ich und ein Freund namens Warren Peace saßen zum Abendessen im Greenwich Village zusammen, und zwar in einem der längst verschwundenen Lokale, in denen sich Jackson Pollock mit anderen Malern zu prügeln pflegte. Unser Dinner wurde von einem Mitglied der Einstürzenden Neubauten serviert. Nach einer Weile wurde mir bewusst, dass aus den Lautsprechern eine Musik kam, die mir merkwürdig vertraut vorkam, die ich aber zu meinem Ärger nicht einordnen konnte.

Geburtstagsüberraschung für Lou

Blixa Bargeld, unser Kellner, beugte sich näher zu meinem Ohr und flüsterte: „Die Musik ist eine Geburtstagsüberraschung für Lou. Trent Reznor hat ,Metal Machine Music‘ eigens für Lou neu abgemischt.“

Und während er das noch sagte, flogen uns Spritzer und Kleckse aus einem von Pollocks Bildern um die Ohren. Die Musik wurde lauter, und immer mehr Farbtropfen schossen durch die Luft – bis wir fluchtartig das Café verließen, gejagt von widerlichen lila, blauen und schwarzen Schlangen, die obendrein infernalische Schreie ausstießen. Und damit ist eigentlich alles über Trents Musik gesagt.

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