Nuggets

Den Braten Garth Brooks hat nunmehr jeder gerochen. Doch verfälscht die aufdringliche Duft-Marke der Garth’schen Personality-Show nicht eher das Gesamtbild? Wenn All-4-One wochenlang Nummer eins sind, während die Originalversion von „I Swear“ (John Michael Montgomery) einige Monate zuvor noch im schwarzen Loch achselzuckender Radio-Programme entschwand, ist es um die hiesige Country-Akzeptanz nach wie vor schlecht bestellt.

Zögerlich bis wild entschlossen rücken die Firmen dem leidigen Image mit euphemistischen Begriffshubereien zuleibe: „New American Music“. Oder: „Today’s Country“. Pech nur, daß Nashville selbst längst wieder in neuen/ alten Konventionen zu versickern droht. Da braucht ein Mann immer noch drei Dinge: schnelle Autos, lange Beine, kurzen Verstand. Soll da etwa Ironie walten, wenn sich Car-Cowboy DENNIS ROBBINS auf „Born Ready“ (Giant/Aris 21226102) einer ledernen Harley-Lady zu Stiefeln wirft? Oder ist Country doch am besten, wenn er am dümmsten ist?

MARY CHAPIN CARPENTER

sieht das vermutlich anders. Mit überlegenem Songwriting, reifnuancierter Stimme und Gästen wie Branford Marsalis (!) besetzt sie auch auf „Stones In The Road“ (Columbia/Sony 477 679-2) das „progressive“ Ende der Nashville-Skala. Welcher Marketing-Mensch setzt Chapin hier mit dem nötigen Kleingeld endlich auf die Bonnie-Raitt-Schiene? * Kollegin DOLLY PARTON läßt satte 23 „Heartsongs“ (Blue Eye/ Sony 477276-2) „Live From Home“ erklingen: gnadenlose Tearjerker, gnadenloser Parton-Humor und ein gnadenlos gutes Bluegrass-Orchester.

Apropos: RUN C&W um Ex-Eagle Bernie Leadon ziehen auf „Row Vs. Wade“ (MCA/Aris 873477) R&B-Klassiker von Smokey Robinson bis Don Covay durch den Bluegrass-Kakao. Das macht Spaß, bis der „Klamauk for Klamauk’s sake“-Faktor zu nerven beginnt.

Frauen, zweiter Teil: DEBO-RAH ALLEN kann mit „All That I Am“ (Giant/Aris 21203842) vor allem als kratzbürstiger Memphis-Wildfang reüssieren, während MICHELLE WRIGHT auf „The Reasons Why“ (Arista/ BMG 07822-18753-2) von Ökonomie der Emotionen nichts wissen will. Die springt über jeden Stock ihrer dick aufgetragenen Gebrauchslyrik für semi-emanzipierte Frauen.

WAYLON JENNINGS flüchtete derweil aus Nashville in die Arme von Allround-Feuerwehr und Dampf-Produzent Don Was. Auf „Waytnore’s Blues (Part II)“ (RCA/ BMG 07863-664 09-2) gibt Jennings, Repräsentant der alten Country-Schule, noch einmal den renitenten, altersweisen Loner. Und sieht dabei so gut aus wie lange nicht mehr. Nachdem bereits Johnny Cash die Weihen ewiger Coolness empfangen hat, wird jetzt Jennings gesegnet. In jeder Hinsicht: Eine wichtige Jennings-Lektion hat RADNEY FOSTER (Ex-Foster 8C Lloyd) gelernt, der auf „Labor Of Love“ (Arista/BMG 07822-18757-2) als Sänger entscheidend Profil dazugewinnt: Wozu nur Studiomusiker, wenn’s die eigene Band genauso gut kann? Kein Problem bei Arista-Boss Tim Du-Bois, der denn auch prompt als Co-Autor des besten Songs („Jesse’s Soul“) geführt wird.

Die JEVER MOUNTAIN BOYS,

eine Berliner Tresen-Band um Alexander Hacke von den Einstürzenden Neubauten, umkreisen den existentialistischen Kern ausgesuchter Vorlagen auf „Bury The Bottle With Me“ (BMM 04/ Indigo) wie erstaunte Väter ein Neugeborenes – fassungslos, aber irgendwie happy. Das wirkt auf Dauer ein bißchen arg „artsy“. Und mit einem Motörhead-Cover („Ace Of Spades“) würden sie natürlich aus (fast) jedem Nashville-Studio fliegen.

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