Nuggets von Jörg Gülden
Daß Carol Noonan eine klassische Gesangsausbildung genossen hat, hört man, aber stören tut es mitnichten. Im Gegenteil: Die Emphase, die sie mit ihrer CAROL NOONAN BAND auf „Noonan Building & Wrecking“(PHILO PH 1196), ihrem zweiten Album, an den Tag legt, verursacht streckenweise Gänsehaut. Begleitet von einem kompetenten Quintett erforscht die Trägerin des „Boston Music Award for Outstanding Female Vocalist“ die Gefilde zwischen Folk und Rock und hat mit Songs wie „Love You Till The End“, „Creatures Of Habit“ oder „Bailad Of Brownfield“ Song-Perlen im Repertoire, die einem Hochachtung abverlangen.
Sie kamen aus Enfield/Middlesex und nannten sich Mark Four. Als sie dann 1966 von Produzent Shel Talmy unter die Fittiche genommen wurden, tauften sie sich in THE CREATION um und wurden dank innovativer Hits wie „Painter Man“ oder „Making Time“ neben The Who zu Mod-Ikonen. 1968, mittlerweile hatte Ron Wood den Gitarristen-Posten von Eddy Phillips übernommen, warfen The Creation jedoch das Handtuch – um sich 25 Jahre später mit dem Live-Album „Lay The Ghost“ zurückzumelden. Wiederum drei Jahre später verblüfft das Quartett in Originalbesetzung mit dem Studioalbum „Power Surge“ (Creation CRE CD176), als habe man nie pausiert. Powerpop erster Güte und dank des einzigartigen flirrenden Gitarrensound von Phillips in einer Klasse ganz für sich.
Schaut man sich den Background von LISA MEDNICK an, dann erübrigt sich die Frage, wie sie mit solch einem Debüt reüssieren kann. Lehrjahre bei so (unterschiedlichen) Acts wie Charles Neville, Alejandro Escovedo, Michelle Shocked oder The Chilis lassen sich halt nicht leugnen. Mit „Artifacts Of Lore“ (Blue Rose BLUCD 023) versucht Lisa Mednick all diese Einflüsse – von Jazz bis Punk – auf einen Nenner zu bringen. Was ihr dank hochkarätiger Session-Musiker und Gästen wie Charles Neville, Lucinda Williams oder John Hagen und ihrem ausgeprägten Gespür für introspektives Songmaterial hervorragend gelungen ist. Ein Album, das einem mit jedem Hören mehr ans Herz wächst. Nach so viel eher besinnlichen Klängen darf s jetzt auch mal wieder krachen. Da lassen sich z. B. THE SAINTS nicht lange bitten. Zwar ist Ed Kuepper, der ’78 die Laughing Clowns und 1990 (aus Rache für Ex-Partner Baileys permanente Nutzung seiner alten Songs) die Aints formierte, längst nicht mehr dabei. Aber auch ohne ihn gelingt Chris Bailey dank Unterstützung der beiden Gitarristen-Kollegen Mons Wieslander und Ian Walsh immer noch heiliger Lärm vom Kaliber ,J’m Sttanded“. Und das ohne ein einziges Ed-Kuepper-Cover!
Wem beim Stichwort „Westcoast“ nur Dinosaurier, Valium-Schlocker oder Metal-Mutanten in den Sinn kommen, der darf sich von CHRIS „HAMMER“ SMITH beweisen lassen, daß hier der Blues lebt. Und wie! Auf „Livin´On My Own“ (Herman’s HE 012-2), seiner vierten LP, präsentiert der Sänger, Gitarrist, Harp-Virtuose und Songschreiber nicht nur eine exzellente Band und so illustre Gäste wie Sonny Landredi, Phil Upchurch oder Tony Braunagel, sondern straft die Behauptung Lügen, daß der Blues ja längst eine fossile Stilrichtung sei.
Noch einmal zu Ed Kuepper. Der Mann hat einen guten Geschmack, sind doch die DEADLY NIGHTSHADES aus Sydney seine erklärte Lieblingsband. Die Gitarristen Brendan O’Brien und Bill Beare zaubern aus Rock-, Pop und Folk-Elementen verblüffende Song-Fundamente, auf denen Lisa Hill ihre Stimme schwindelerregende Kapriolen schlagen läßt. Das gleichnamige Debüt der Deadly Nightshades (HOT 1051) verblüfft vor allem durch seine mannigfaltigen Stimmungen und weckt schon jetzt den Wunsch nach mehr.