Oasis – Don’t Believe The Truth
Keine Angst, jetzt kommt nicht wieder die ganze Geschichte mit den zwei Brüdern, die auszogen und bla bla bla, aber ein paar – vielleicht selbstverständliche – Sachen müssen geklärt werden.
Erstens: Bei der Band Oasis ging es nie in erster Linie um Musik. Es geht um eine von hinten beleuchtete Mauer aus Blockfrisuren, Pelzkragen, Schwarzbrillen und unverständlich gewuffter Werftarbeiter-Sprache. Es geht um Männerfantasien, um ein Märchen-England, das bis auf ein paar Beatles-Bezüge nichts mit dem echten England zu tun hat Um ein cooles, sehr spezielles Grundrauschen. Nur für die, die sich immer so schrecklich wundern, warum Oasis noch gut sein können, obwohl sie seit knapp zehn Jahren keine richtig gute Platte zustande gekriegt haben.
Zweitens: Oasis haben trotzdem die ganze Zeit fantastische Musik gemacht, und wenn es nur drei oder vier Lieder pro Album waren, die einem das exklusive Gefühl gaben, ein Pudel aus Stahl zu sein, der Scooter-Fahrer aus der Hölle oder der traurigste Mensch der Welt. Karrieretechnisch wäre es ja besser gewesen, wenn sie mal ein wirklich schlechtes Experimental-Album eingeschoben hätten, um anschließend für die Rückkehr zum wahren Song bejubelt zu werden. Nein, es rauschte konstant, das ganze Jahrzehnt. Und dieses Mal läßt uns Noel Gallagher sogar vorab wissen, dass zehn fertige, mit dem DJ-Duo Death In Vegas produzierte Songs wieder gelöscht wurden, weil sie „nicht gut“ waren.
Nebenbei: „Don’t Believe The Truth“ wurde mit dem mittelbekannten Dave Sardy bei Capitol in L.A. aufgenommen, in denselben Sinatra-Hallen, wo Robbie Williams vor Ehrfurcht in die Knie fiel – und Oasis nur ungerührt die Bierdosen hochschnallten. Herrlich.
Doch „Don’t Believe“ ist ihre Hasch- und LSD-Platte geworden, auf der sogar der sonst angewurzelt standhafte Liam Gallagher oft klingt, als hockte er im Schneidersitz. Auf der Maracas rascheln, Mellotrone flöten und das bedröhnte „Tomorrow Never Knows“ noch das einzige Beatles-Lied ist, das einem einfällt. Die leise Klingelei, die Eingangstüren von Ethno-Läden machen, hört man auf „Let There Be Love“, das als letztes Stück die Funktion des alten „Champagne Supernova“ hat und sogar die Melodie daraus zitiert, lustigerweise nur die halbe.
Der typische Oasis-Song ist heute anders, kein nach vorne schreitendes, halbstarkes Parka-Biest mehr, sondern ein im Kreis tanzender, psychobluesiger WuscheL Mit einer halben Melodie.
Deshalb schmerzt es gar nicht so, daß die insgesamt sechs Kompositionsbeiträge von Liam, Bassist Andy Bell und Gitarrist Gern Archer gut gemeinte, angenehm summende, aber in jeder Hinsicht austausch- und verwechselbare Songs sind. Umso heller scheinen Noel Gallaghers Höhepunkte, das gloriose, mit Steinhand-Stakkato gehämmerte „Mucky Fingers“, der große Stampf „Lyla“, von Liam extra eitrig geröhrt, der fast schon ins Acid-Housige geht Und die zwei nieselregnerischen Reflexionen „The Importance Of Being Idle“ und „Part Of The Queue“ – Noel nimmt die Hörer mal kurz beiseite, auch das ist neu.
Doch weil diese ganzen Details bald vergessen sein werden, merken Sie sich bloß: Die Wonderwall rückt wieder vor die Sonne, Oasis sind da, und sie haben ein paar gute Lieder. Und wenn man sie nur hört, weil man die alten auswendig kann. Hauptsache, wir waren da, als sie high wurden.