Ocean Colour Scene – Moseley Shoals

Es lagen einst Welten zwischen Mersey und Themse, Liverpool und London, Beat und Rhythm & Blues, pilzköpfig und langhaarig, fab und cool, angepaßt und aufsässig, yeah-yeah-yeah und nono-no, „Let It Be“ und „Let It Bleed“. Was die Beatles und Stones trennte, war Musik. Was ihre Fans trennte, war Weltanschauung, no less.

Fast drei Jahrzehnte später sind die Lager eingeebnet und das Lagerdenken nur mehr Nostalgie. Noel Gallagher, bescheiden wie immer: „Oasis are the new Beatles and the new Rolling Stones. Blur are the new Monkees.“ Thank you, Noel, very funny. Doch im Ernst: Für das alte Gegeneinander ist im Supermarkt britischer Sixties-Stile allenfalls noch Platz in der Krabbelkiste für wohlfeile Second-Hand-Attitüden und Discount-Tribalismen. Der aufgeklärte, moderne Musiker sucht sich aus dem Oberangebot zusammen, was ihm Appetit macht Auch das will freilich gelernt sein. Bedient man sich zu beliebig, bekommt das Angerührte den Hautgout von ranzigem Retro. Wählt man die Ingredienzen zu einseitig aus, läuft man Gefahr, einem Revival anheimzufallen, noch ehe man Modpop sagen kann.

Ocean Colour Scene wissen das sehr genau. Sie kennen sich mittlerweile bestens aus in den Regalen ihres Einkaufsparadieses. Seit sieben Jahren sind sie dort schon Kunden, haben anfangs viel geklaut, sind damit aber nicht weit gekommen. Inzwischen haben sie ihre dues bezahlt, achten auf Qualität und Frische, und ihre deliziöse Sixties-Suppe ist in aller Munde, nicht zuletzt dank Vorschmecker Paul Weller, der immer öfter die Dienste von Gitarrist Steve Cradock und Bassist Dämon Minchela in Anspruch nimmt, dank auch der Empfehlungen von Gourmet Gallagher. Wer den zum Freund hat, braucht keine Promo-Abteilung.

Überdies stimmt das Timing beim erneuten Anlauf des Quartetts aus Birminghams Vorort Moseley. Kein Geringerer als der ruhmreiche Jimmy Miller, inzwischen ja verstorben, hatte ihre ersten Studio-Versuche betreut, doch waren die in Zeiten des Schrammelpop und Shoegazing auf taube Ohren gestoßen. Ocean Colour Scene sind durch solche Rückschlage nur noch enger zusammengewachsen. Die lässige Selbstverständlichkeit, mit der sie ihr Brit-typisches „Uns-kann-keiner“ postulieren, fußt nicht auf Schlagzeilen, sondern auf zahllose ngewonnenen Bühnen-Fights gegen Pöbelei und Lethargie.

Der Titel ihres neuen Albums verrät neben Talent im englischen Volkssport Wortspiel auch Selbstironie: Der Mythos von Muscle Shoals hat längst Patina angesetzt, lebt aus einer glorreichen Vergangenheit. Wie Ocean Colour Scene. Sänger Simon Fowler hat bei Mick Jagger gelernt, bei Paul Jones und Steve Marriott. Cradocks Gitarre kann funky sein oder riffig oder Hendrix pur. Die besten Songs vertragen aber diese Zitatenlast. „The Riverboat Song“ ist ein fein ziseliertes, Tempovariables Stück Brit-R&B, wie die Band überhaupt die meisten ihrer Ideen aus dem reichen Fundus Blues-beseelter Vorläufer schöpft, von den Animals über Manfred Mann bis zu den Yardbirds. Altmodisch? Fuck fashion. Ocean Colour Scene sind dedicated followers of music.

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