Paradise Now :: Start 29. 9.

Kahled hat sich ein Palästinensertuch umgehängt, stemmt eine Maschinenpistole hoch und versucht einen entschlossenen Blick zu machen. Vor ihm steht ein Mann mit einer Videokamera, als Kahled zu einer vorformulierten pathetischen Ansprache über den Dschihad anhebt, immer wieder stockt und von vorne beginnt. Schließlich bricht er genervt den Text ab – und erinnert seine Mutter daran, wo sie die billigsten Wasserfilter kaufen soll. Es ist seine Abschiedsrede, Kahled will sich als Selbstmordattentäter opfern. Als er jedoch endet, stellt der Kameramann lapidar fest, daß die Aufnahme nicht funktioniert hat.

Es ist eine gallige Pointe, mit der Regisseur und Autor Hany Abu-Assad die routiniert organisierte Märtyrer-Maschinerie aushebelt. „Paradise Now“ hat viele solcher entlarvenden Momente der Komik, die dennoch niederschmetternd wirken. Allein der von Coppolas „Apocalypse Now“ abgeleitete Titel benennt schon mit desperater Ironie den Trugschluß, für den Palästinenser freiwillig immer wieder zu Selbst- und Massenmördern werden. Das dafür ein fundamentalistischer Hintergrund nicht nötig ist, sondern dahinter menschliche Schicksale stehen, sozialer, politischer Druck und persönliche Konflikte, zeigt der Film differenziert in der Aussage und dramatisch mit einem dem Thriller entlehnten Plot.

Kahled (Ali Suliman) und sein bester Freund Said (Kais Nashef) könnten ebenso zwei Jungs aus Little Italy sein, die in die Mafia geraten. Aber sie sind ganz normale junge Männer im Westjordanland und haben gerade ihren Job in einer Autowerkstatt verloren, als ihnen der Milizionär Jamal mitteilt, sie seien für eine große Mission auserwählt worden. Said ist eher introvertiert, Kahled ein impulsiver Typ, aber in ihren Augen flackert kein Fanatismus. Sie sind irritiert, nervös und versuchen keine Zweifel aufkommen zu lassen, als sie schließlich mit dem Sprengstoff am Körper nach Israel eingeschleust werden. Doch die Aktion geht schief und Said verloren. Weil er den Bombengürtel nicht lösen kann, läuft er panisch auf der Suche nach der Miliz durch seine Heimatstadt Nablus. Beklemmender kann man den Wahnsinn solcher Attentate kaum noch verdeutlichen als mit dieser Rochade.

Daß Terroranschläge keine Lösung sind, zeigt Abu-Assad auch in der kosmopolitisch geprägten Suha, Tochter einer im Kampf gegen die Israelis gefallenen Legende. Mit Inbrust redet sie auf das Duo ein. Doch Bekehrung zum Frieden, so ohnmächtig und aufrichtig bleibt Abu’Assad angesichts der seit Jahrzehnten betonierten Komplexität des Konflikts bei aller Hoffnung schon, ist nicht einfach. Im Schlußakt überschlagen sich dann mit furioser, wuchtiger Verzweiflung die Ereignisse. Hany Abu-Assad lebt in Holland. Und Jamal, der Bürokrat der Selbstmordattentate, erzählt: „In Schweden hält jeder an einer roten Ampel. Trotzdem haben sie die höchste Selbstmordrate der Welt. Was ist deren Problem?“

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