Patti Smith :: Twelve

Ein Dutzend Coverversionen, ungewöhnlich bis gewaltig

Noch ein Album mit Coverversionen wird ungefähr so dringend gebraucht wie ein weiterer Song gegen George W. Bush. Seit Robbie Williams damit angefangen hat, swingen alle möglichen Gestalten von Michael Bolton bis Tony Hadley nach; Eric Clapton huldigte Robert Johnson, Bryan Ferry verschnulzte Bob Dylan, und so weiter und so fort. Die Meister des Nachspiel-Metiers sind freilich immer noch Rod Stewart und Joe Cocker, das sagt alles. Aber Patti Smith ist Patti Smith. Mit 60 Jahren muss sie nichts mehr beweisen. Sie kann Songs schreiben, aber sie kann auch mal „nur“ Sängerin sein. Und was für eine! Lassen Sie sich von Jimi Hendrix‘ „Are You Experienced?“ nicht abschrecken, das an ihr mächtiges „Hey Joe“ nicht heranreichen kann, sondern zwischen schwerfällig und ausgefranst steckenbleibt. Auch wenn hier kein Song solche Schlagkraft hat wie damals die Version von Van Morrisons „Gloria“: Vieles überrascht mit einem ungewöhnlichen Ansatz. Anders als Tori Arnos mit „Strange Little Girls“ versucht Smith nie, männliche Songs aus weiblicher Perspektive neu zu schreiben. Sie hat kein Konzept, sie braucht keins – ihre Stimme hält alles zusammen. Und doch erzählen alle Stücke von einer besseren Welt, einer anderen mindestens – oder der (vergeblichen) Hoffnung darauf.

So passt „Everybody Wants To Rule The World“ von Tears For Fears zu Paul Simons „Boy In The Bubble“ und Stevie Wonders „Pastime Paradise“, bei dem man jetzt leider immer an Coolio denken muss. Auch Nirvanas „Smells Like Teen Spirit“ eignet Smith sich an, singt die Zeilen so überdeutlich, wie Kurt Cobain das nie wollte, und gewinnt dem viel zu oft gespielten Song so noch etwas Ungehörtes ab.

Freilich konzentriert sich ihre Arbeit dann doch auf die 60er Jahre und ihre Helden. Bei Dylans „Changing Of The Guards“ hält sie sich noch zu sehr zurück, Neil Youngs „Helpless“ fehlt ein wenig das Sentimentale, „Gimme Shelter“ von den Stones kracht dann schon angemessen heftig, auch die Stücke von den Beatles, Allman Brothers und Doors gelingen ihr kongenial. Am bewegendsten aber ist Jefferson Airplanes „White Rabbit“: aufgeladen mit düsterer Vorahnung und doch unglaublich kraftvoll. Smith kennt keine Grenzen, wenn sie ihre Stimme loslässt, und das mag manchmal nerven, meistens ist es aber eine echte Offenbarung.

Man kann enttäuscht sein, dass die Songschreiberin sich zurückgelehnt hat und „nur“ fremder Leute Lieder singt. Man kann sich aber auch einfach nur freuen, dass es diese Sängerin gibt.

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