Pere Ubu – Why l Hate Women

Man muss sich das einfach mal vorstellen: Auf einer Party kommt ein zwei Meter großer, schwitzender Fettsack zu einem rüber und erklärt ungefragt, warum er etwas gegen Frauen hat. Ein irritierender und bedrohlicher Gedanke, denn die Menschen sprechen selten aus, was in ihnen vorgeht. David Thomas dagegen erforscht auch auf dem 13. Pere Ubu-Album wieder genau diese Blindstellen. So unerbittlich, im Umgang mit Ängsten und Neurosen, dass David Lynch dagegen wie ein Comedian wirkt.

Doch um Hass auf Frauen geht es hier natürlich nicht: „Why I Hate Women is based on the Jim Thompson novel he never wrote but would have.“ Und tatsächlich sind die Songs durchzogen von einer dunklen Lakonie, bewohnt von Männern, denen das Leben selten mal einen ausgibt: „In my head is a white room where all the good things go/ A man with a bag walks in/ Drops it on the floor and he goes/ Goodbye, Goodbye, Goodbye, Goodbye“, heißt es unendlich wehmütig in „Blue Velvet“. Da ist kein sich-Wehren mehr, kein Einfordern, nicht einmal ein Betteln. Nur Leere und Müdigkeit. Becken hätte es nicht besser sagen können, doch wirklich neu ist diese negative Weltsicht nicht. Schon 1978 sang Thomas in „Final Solution“: „The girls won’t touch me cause I got a misdirection/And livin‘ at night isn’t helpin‘ my complexion“. Musikalisch orientiert sich „Why I Hate Woman“ ebenfalls am zu Recht gefeierten Frühwerk – obwohl außer Thomas keiner von der Original-Besetzung mehr dabei ist. „Flames Over Nebraska“ ist nur vordergründig eine straighte Rock-Nummer. Dahinter tut sich ein Abgrund auf, kreischen böse die elektronischen Störgeräusche Robert Wheelers; Keith Molines Gitarre schrammt hart an der Grenze zum Atonalen. Immer ist es die altgediente Rhythmus-Sektion, bestehend aus Michele Temple und Steve Mehlmann, die ein zu starkes Auseinanderdriften der Band verhindert.

Im Zentrum steht fast immer David Thomas, mit seinen oft so traurigen Geschichten und einer Stimme, die nicht nur in „Blue Velvet“ an die Rufe eines von seiner Mutter verlassenen jungen Wals erinnert. „Caroleen“ – so ziemlich das Punkigste, was man von Pere Ubu seit Jahrzehnten gehört hat – ist auch textlich leidenschaftlicher, auf eine unsichere Weise, fast verliebt: „Her perfume, I think it’s turpenteen/And I feel alive/ And I hope it’s love/ Caroleen, Caroleen, Caroleen, Caroleen“. Wer keine Angst vor der Dunkelheit hat, wird dieses intelligent zupackende Rock-Album lieben.

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