Peter Gabriel :: OVO – The Millennium Show
Leider ziemlich aufgeblasen: die Mär von Vergangenheit und Zukunft
Cool Britannia ? Pah. „Jede Schießbude in Blackpool ist aufregender“ urteilte der durchaus vertrauenswürdige „taz“-Korrespondent über den Millennium Dome. Die lauwarme Gigantomanie-Übung da in Greenwich entpuppt sich entgegen der Besucherkalkulation auch noch als defizitäre, über 500 Millionen (Pfund!) wurden schon verpulvert. Wieviel wohl das Hochseil-Musical frisst, das dort bis zu viermal täglich unter der Kuppel gegeben wird?
Auf Einladung von Mark Fisher, Bühnenarchitekt in der Stones-, Pink Floyd-Liga, tat Peter Gabriel nicht nur musikalisch mit. Es ist auch eine künstlerische Trotzreaktion, genoss doch der Dome in seinen Kreisen nie allzu viel Credibility. Die fliegenden Trapez-Artisten werden den Dome nicht vorm doomsday retten. Und was bringt die Musik – ohne Dome, Blair und Blah?
Die Story blieb für diesen Soundtrack identisch: Vergangenheit, Gegenwart, Zukunft, verdichtet in der 3-Generationen-Saga einer Familie mit dem üblichen Knatsch. Papa stur, Mama machtlos, Sohnemann will hoch hinaus (um damit tief zu fallen) – und die schmucke Tochter liebt natürlich ausgerechnet den Romeo von der anderen Seite der Schienen. Die tiefplatte Symbolik des Baums, der da zu guter Letzt aus Ruinen sprießt, bleibt uns hier aber erspart; statt dessen segelt ihr Baby namens OVO hinaus in die Zukunft. Na klar: ungewiss!
Neneh Cherry und Rasco rappen vorab eine komprimierte „Story Of OVO“, bevor Gabriel mit Wucht und Emphase en detail geht, von Attraktion zu Attraktion hechelt, mit einem vielköpfigem Ensemble, das als Vokalisten Richie Havens (Papa Theo) und Elizabeth Fraser (Mama Beth) präsentiert und ihn auch mit alten Mitstreitern wie Tony Levin, David Rhodes und Manu Katche wieder vereint. Alles musste mit rein, der traditionelle Acker („The Weavers Reel“) und der virtuelle Zukunftspark (immer mal wieder), die Früchte der alten Kolonien nicht zu vergessen. Da steht dann mittendrin das ewige, versöhnliche Piano-Rührstück „Father, Son“ doch ein wenig verloren herum in dieser künstlichen real world. „Downside-Up“ ist nicht nur phonetisch eine aufgemotzte Variation von „Don’t Give Up“. Fraser statt Bush. Die Schlussbotschaft? „Make tomorrow today!“ Sagt die Zigarettenreklame auch.
Das ist eine ebenso schöne wie banale Losung. Doch da kriecht die Erinnerung hoch, und man stellt verwundert und ernüchtert fest, dass Peter Gabriels Musik in den 70er und 80er Jahren oft moderner geklungen hat als das hier. Doch wie sagte gerade der große Fussballphilosoph Horst Hrubesch so richtig? Genau: „Modern ist, wenn man gewinnt!“