Peter Gabriel :: So (Deluxe Edition)

Schöner als das Cover-Foto ist nur "Mercy Street": die Album-Ikone der Achtziger als Luxus-Box

Im Jahr 1986 erschienen einige der besten Alben des Jahrzehnts: „The Queen Is Dead“ von den Smiths, „Big World“ von Joe Jackson, „King Of America“ und „Blood And Chocolate“ von Elvis Costello … Im Frühjahr hatten Genesis mit „Invisible Touch“ ihre scheußlichste Platte veröffentlicht, das Knetgummi-Video zu „Land Of Confusion“ verklebte die Welt in nie gekannter Grausamkeit. Und es war Sommer, als „So“ erschien und alles leicht, licht und feierlich wurde: Es ward Funk, es ward „Sledgehammer“, dieses Intro mit der Flöte, die Bläser, der Synthesizer – der größte Groove aller Zeiten. Im Video fuhr die Eisenbahn um Peter Gabriels Kopf.

Vier Jahre hatte der schrullige Engländer an „So“ gearbeitet, eine damals allenfalls bei Michael Jackson vorstellbare Zeitspanne. Aus Gabriel schien kein Superstar mehr zu werden, nachdem sein afrikanisch-pastorales Rätselwerk „4“ unverstanden geblieben war (und in einer skurrilen deutschen Version erschien). „Sledgehammer“ änderte alles. Auf dem Cover sieht Gabriel so vergeistigt, apollinisch, sanft und wunderschön aus, dass sogar Frauen die Platte kauften. Und die Musik ist das edle Gegenstück zum schaurigen Gepolter seiner ehemaligen Kollegen: unendlich gediegen, sensualistisch, anspruchsvoll, erwachsen und kontemplativ. Atomarer Niederschlag. Arbeitslosigkeit. Anne Sexton. Das Milgram-Experiment. Und eine Kritik an Reichtum und Verschwendung! So.

Wie hatte Gabriel das gemacht? Er hatte Daniel Lanois geholt, der bald die Platten jedes namhaften Künstlers der Welt aufnehmen sollte. Der Sound ist transparent, man hört jedes Tambourin, jede Bongo, jedes Glockenspiel, spürt den pulsierenden Qualitätsbass von Tony Levin, das federnde Schlagzeug von Manu Katché, die Keyboard-Arabesken von David Sancious und David Rhodes‘ flirrendes Gitarrenspiel. Ein paar Virtuosen bedienten Kuhglocken und dergleichen. Alles kulminiert in „Mercy Street“, dem zweiten Song der zweiten Seite, einem Stück wie eine Träne, wie ein Gedicht – und tatsächlich ist es von Anne Sexton inspiriert, der Dichterin, die sich umbrachte.

„This Is The Picture (Excellent Birds)“, das mit Laurie Anderson verfasste Stück, hatte es nicht auf das Album geschafft. Gabriel ergänzte es später, hier ist es auf dem Vinyl von „So“ enthalten. Auf einer weiteren LP gibt es zwei unveröffentlichte Songs. Beide Platten sind in rote und blaue Bastelpappe gehüllt. Eine CD enthält die faszinierenden Demos der Songs. Und zwei CDs und eine DVD dokumentieren ein Konzert in Athens, 1987: die Band in Perfektion, Gabriel mit asymmetrisch geschnittenen Haaren und Jacken, tanzend und die Lieder pantomimisch nachspielend. Am Ende kommt Youssou N’Dour für „In Your Eyes“ und „Biko“ auf die Bühne: Peter Gabriel hat auch noch die Weltmusik für den Pop erfunden. (Virgin/EMI)

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