Poliça

United Crushers

Auf ihrem dritten Album reist die Band um Sängerin Channy Leaneagh an die Ränder des Pop – und findet zu neuer Hochform

Lieder über Kinder zählen zum Schwierigsten, was Popmusik leisten kann. Meist scheitern sie erbärmlich. Denn weder will man die Welt durch die Augen der Kleinen sehen noch Kinder an der Macht wissen. Weder Eltern vom Segen der Elternschaft delirieren hören noch von ihrer Müdigkeit.

Das neue Poliça-Album beginnt mit einer Irritation. „Whatcha wanna be when you’re big enough to see it’s all shit?“, fragt Sängerin Channy Leaneagh mit tiefergelegter Stimme, die wie die eines Mannes klingt. Die Frage richtet sich an ein Kind. Dem kann sie wenig Hoffnung machen. Denn in dieser Welt bekommen Frauen auf die Fresse, und die Armen bleiben arm. Das grobianisch aufklärende „Summer Please“ umreißt das Thema des dritten Werks der Band aus Minneapolis, zu deren Stammbesetzung neben der früheren Folk-Elfe Channy Leaneagh der Bassvirtuose Chris Bierden, der Elektroniker Ryan Olson und zwei meist synchron spielende Schlagzeuger gehören. Als Poliça das Album aufnahmen, war Leaneagh zum zweiten Mal schwanger, der Bauch ist auf dem Cover abgebildet. Ähnlich klare Bilder findet sie in der urbanen, gewalttätigen Ödnis von „Summer Please“ – kreisende, schwer dechiffrierbare Mantras stehen ihr in anderen Songs gegenüber, in denen Leaneaghs Stimme aufschwingt wie ein verliebter Albatros (oder wie die der jungen Björk). In „Lime Habit“ zum Beispiel, das mit doppelten Drums und fiepsenden Keyboards ein klassisches Poliça-Stück ist und zugleich ihr stärkster Popsong.

Ähnlich wie Julia Holter entwickelt Leaneagh eine eigene Interpretation klassischen Songwritings, entfernt sich zunehmend vom ursprünglichen Clubkontext ihrer Musik. Ihre Stimme klingt pur, verhallt mitunter, aber ohne Layer, ohne Verfremdung. Es ist eine eigene, unverwechselbare Stimme, keine große. Wund und wütend und auch wehmütig. Im zweifelnden „Fish On The Griddle“ barmt sie hell und klar: „I wonder ’bout my friends. Why don’t they call?/ Could it be that I have none at all?“ Dann fällt sie wie Kim Novak vom Glockenturm, während Chris Bierdens bundloser Bass knäuelt und brummelt und eine lichte Keyboardmelodie den Fall bremst.

„United Crushers“ ist spannender als das düstere Selbst­behauptungswerk „Shulamith“ von 2013. Poliça reisen an die Ränder: heiter hüpfende Popsongs, der Groove der mittleren Depeche Mode, der Swing einer mit Trompeten bewaffneten Big Band und vertraute, vertrackte, schimmernde Melancholiebrocken wie „Berlin“, in dem Leaneagh gegen den Lebenssturm ansingt: „Around the bend/ Child knows/ What comes next.“ Wir wissen es nicht. Unser Glück