Polyesterliebe

„Polyesterliebe“ von Frank Lähnemann ist ein kleiner, etwas handlungsarmer, dafür reflexionsreicher und stellenweise durchaus witziger Roman über einen Mann, der sich selbst etwas verloren gegangen ist. Marc hat früher mal gemalt, jetzt sitzt er in der Lokalredaktion eines unbedeutenden Berliner Schmierblattes. Zu allem überfluss liegt sein Liebesleben so dermaßen brach, dass er sich während eines New-York-Trips in eine Schaufensterpuppe verliebt. Naja, die Idee hätte eigentlich eher in eine ZDF-Vorabendklamotte gepasst und man nimmt sie dem Text nicht so richtig ab – aber immerhin: Lähnemann macht was daraus. Eine Suche nach dem lebendigen Gegenstück beginnt, die dem ganzen Konlaktanzeigen- und Dating-Irrsinn die lauwarme Luft rauslässt, schließlich kommt der Mann zur Besinnung. Er kündigt seinen Job, fährt noch einmal nach New York und fängt wieder an zu malen. Das ist eine der schönsten Szenen, wie ihn plötzlich in einem Diner die kreative Lust wieder einholt. Noch schöner allerdings und von rührender Wahrhaftigkeit ist die verzweifelte Idylle in einem bayerischen Nest, in der sich der Liebeskranke mit einer eigentlich ungeliebten Kollegin einlässt. Drei schwerelose Tage, die nur glücken, weil diese beiden einsamen Seelen es auf Teufel komm raus wollen. Und Lähnemann beschreibt das alles mit Wärme und ganz undenunziatorischer Aufrichtigkeit. Ein gutes Debüt! Man wünscht dem Autor beim zweiten Buch nur einen Setzer, der etwas von seinem Job versteht. 3,0 „Spade Cooley. King Of Western Swing“ (intermediumrecords)vor Britta Höper und Ulrich Bassenge ist ein“faction“-Hörspiel, denn offensichtlich gab es da mal eine historische Figur, die dem Protagonisten Pate stand. Cooley hat es geschafft, er hat seine eisenharte Kindheit, die nicht minder demütigenden Jahre als Double für den Jodelcowboy Roy Rogers hinter sich gelassen und mit seiner eigenen Band einen Hit gelandet. Der selbsternannte King Of Western Swing hat bald eine eigene Fernsehshow und hält den Erfolg nur aus mit der branchenüblichen Mischung aus Alkohol und Pillen. Er ist ein manischer Spieler (Spade!), ein geckenhafter Parvenü, cholerisch und latent gewalttätig. Und als dann alles den Bach hinuntergeht, wie es einer so archetypischen Schicksalsfigur nun einmal auf den Leib geschrieben ist, schlägt er seine Frau tot – und zwingt seine Tochter, ihm dabei zuzusehen: „You’re gonna watch me kill her (otherwise l’ll kill you and me, too).“ Der Bayerische Rundfunk hat das alles ziemlich aufwändig produziert. Stellenweise auch leicht überproduziert. So hat man den Off-Erzähltext auf so viele Sprecher verteilt, dass man bei dem vielen hin und her leicht den Faden verliert. Man hätte hier einfach auf Höpers schöne, diese typische Western-Archaik, das alte „unheimliche Amerika“ sehr gut treffende Diktion vertrauen sollen. Aber überdies schöpft man die Möglichkeiten des Mediums ziemlich aus. Da werden akustische Hintergründegemalt, Stimmungen orchestriert, und wenn die Worte allein nicht mehr reichen, gibt es Songs: ein paar wirklich kongenial eingedeutschte Country-Standards, nicht zuletzt von Hank Williams („Ich kann machen, was ich will, doch es hat keinen Zweck. Ich komm aus dieser Welt nicht lebend weg“) und einige durchaus ebenbürtige Eigenkompositionen. 3,5 „Stille und Tod“ (Maro, 12, 90£uro)von Hans Herbst versammelt alte und neue crime stories dieses weltläufigen, weitgereisten Schriftstellers. Man merkt seinen Geschichten an, dass er die hier beschriebenen fremden Interieurs, Milieus und Plätze erlebt hat, dass er selbst da war. Seine Prosa ist gut gekühlt, aufmerksam hinsichtlich atmosphärischer Kleinigkeiten, nichts Menschliches ist ihm fremd – nur die Jugend versteht er nicht mehr. Die schon in seinem letzten Buch „Cuba linda“ etwas anstrengenden, weil bloß geschmäcklerischen und einfach wurmstichigen Brandreden gegen das ubiquitäre Techno-/HipHop-Remmidemmi findet man hier erneut. Man stimmt ihm ja zu, und hätte es trotzdem lieber nicht gelesen. Am besten, nämlich ganz bei sich ist Herbst, wenn er seine in die Jahre gekommenen, einem altmodischen Ehrenkodex anhängenden, in Würde untergehenden Solitäre bei ihrem letzten Gang begleitet. Im Scheitern offenbart sich ihre Größe. Und seine auch. (12,90 Euro)

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