Prefab Sprout

Steve McQueen

Pop in Vollendung: Vor 30 Jahren erschien das zweite Album „Steve McQueen“ von Prefab Sprout. Die zeitlose und entrückte Schönheit der sanft vorgetragen Lieder betört und irritiert noch heute.

Um „Steve McQueen“ von Prefab Sprout gänzlich zu entschlüsseln, braucht es die Vergegenwärtigung des popkulturellen Umfelds der damaligen Zeit. 1985 war das Jahr, indem Pop mehr und mehr zur Massenware wurde und der Popkünstler längst in die Vorstellung eines Gesamtprodukts eingebunden war. Der Musiksender MTV ging 1981 „on air“, Videos wurden eine immer wichtigere Präsentationsplattform. Der Einfluss von Alben als Kunstwerk hingegen verlor immer mehr an Bedeutung.

Es dominierte die schrille Exaltiertheit von ‚Performern‘ wie Madonna oder Prince – der Fokus lag auf dem Solo-Künstler. Dennoch gab es Alben wie „The Head On The Door“ von The Cure, die so rückstandsfrei Ausdruck ihrer Zeit sind, dass man sie sofort ins Museum stellen möchte. Die zweite Platte von Prefab Sprout ließ sich nicht in diese Kategorie zwängen- doch dazu an späterer Stelle mehr.

Die letzte große Kulturrevolution im Pop

Die Band aus Newcastle-upon-Tyne gründete sich 1977 und näherte sich der Popwelt auf leisen Sohlen. Ihr Debüt „Swoon“ erschien erst sieben Jahre später und war ein erster Achtungserfolg – mehr nicht. Die Grandezza der in sich ruhenden Stücke von MacAloon wurde erst dezent angedeutet, die losen Enden griffen noch nicht ineinander.

Doch schon ein Jahr später war die Gruppe reif für ihr Meisterwerk – auch wenn die kommerzielle Ausgangslage sich zunächst äußerst bescheiden darstellte. Die Ende 1984 veröffentlichte Single „When Love Breaks Down“ verpasste die Charts um Haaresbreite, erst durch einen erneuten Release ein Jahr später konnte sie im UK auf Platz 25 vordringen.

„Steve McQueen“ glüht immer noch wie aus Raum und Zeit gefallener Monolith vor sich hin und beinhaltet einige der vielleicht schönsten Pop-Stücke aller Zeiten. Dass diese Band dennoch am Rande des Mainstreams Glamour entfaltete, ist zweifelsfrei der Verdienst von Songwriter Paddy MacAloon. Doch diese Platte auf die feingliedrigen Songs zu reduzieren greift definitiv zu kurz, denn klammheimlich zettelte der Connaisseur des sanften Liedguts die möglicherweise letzte große Kulturrevolution im Pop an.

Rebellion auf leisen Sohlen 

„Steve McQueen“ ist aus dem Hier und Jetzt betrachtet der späte Ausläufer einer Reformbewegung, die man heute gemeinhin als Postpunk bezeichnen würde. Es ging darum die Verhältnisse im Pop noch einmal neu zu ordnen, der Schnelllebigkeit und dem Massenhype um extrovertierte Pop-Führer ein verhuschtes Statement der intellektuellen Rebellion entgegen zu setzen. Mit Versatzstücken aus Film, Literatur und Philosophie war MacAloons Anspruch deutlich differenzierter, als man es bei beiläufigen Anhörungen dieser Platte erkennen konnte.

Die schüchternen Männer posieren auf dem Cover vor und auf Motorrädern – eine Referenz des Sängers an den Film „The Great Escape“ (dt. Titel „Gesprengte Ketten“) von 1963, in dem der Schauspieler Steve MacQueen die Hauptrolle spielte. Auch dass der Sänger der Gruppe eigentlich niemals Popstar werden wollte, passt ins Bild. Tatsächlich beschäftigt sich Paddy Zeit seines Lebens mit Theologie, wollte ursprünglich als Priester praktizieren und lebte noch selbst als sich erste Erfolge einstellten bei seinen Eltern in einem alten Vikariat in Durham County.

Zumindest die katholische Neigung zur Opulenz ist auf dieser Platte in Teilen nachzuempfinden, wie in der wohl zauberhaftesten Stelle des ganzen Albums, wenn in „Horsin’ Around“ die Trompeten einsetzen. Oder wenn sich Engelschöre den Weg zu „When The Angels“ bahnen. Dadurch dass die Platte in jeglicher Hinsicht nicht in pastorale Andacht verfällt, sondern irdische Themen behandelt, überschreitet sie die Grenze zum Kitsch an keiner Stelle. Auch ist das Werk angenehm befreit von damaligen Produktionssünden. So sind die Synthies auf diesem Werk nicht käsig, sondern verströmen butterweiche, britische Eleganz. Und die Texte erst. Selten hat ein Musiker die Ambivalenz von Beziehungen besser auf den Punkt gebracht als MacAloon:

„My love and I, we work well together
But often we’re apart
Absence makes the heart lose weight
Till love breaks down, love breaks down“

Thomas Dolby – der Mann für die glitzernde Produktion

Auch wenn das Werk sehr klar seinem Haupt-Songwriter zuzuschreiben ist, so erwiesen sich auch die übrigen Bandmitglieder als wichtiger Bestandteil: die ätherischen Backing-Vocals von Paddys damaliger Freundin Wendy Smith, die kraftvollen Basslinien seines Bruders Martin McAloon und das filigrane Schlagzeugspiel von Neil Conti besorgten Prefab Sprout erst den eigenständigen Schliff. Maßgeblich für das von Raum und Zeit befreite Sounddesign war Thomas Dolby verantwortlich – der seine glitzernde Produktionskunst über das Album legte – und der von der Gruppe im Zuge der Aufnahmen als fünftes Mitglied adoptiert wurde.

In der Summe bleiben 35 Minuten Pop, der mit den besten Melodien seit Beatles-Zeiten aufwartete. In der Folge differenzierten Prefab Sprout ihren Sound weiter aus, auf guten Platten wie  „From Langley Park To Memphis“ (1987) oder „Protest Songs“ (1989) – doch schon hier war die Zeitlosigkeit einer gefälligeren Zeitgeist-Adaption gewichen. Kurzum: So gut wie auf „Steve McQueen“ sollte die Gruppe nicht mehr werden, auch wenn dem mittlerweile fast tauben MacAloon mit „Crimson/Red“ aus 2013 abermals ein Meisterstück gelungen ist.