Quicksilver Messenger Service – At The Kabuki Theatre

Die besten Bands aus San Francisco und der näheren Umgebung unterschieden sich von Kollegen aus Los Angeles wie Byrds, Love oder Doors ganz erheblich dadurch, dass sie durch Mundpropaganda und teils bald legendäre Konzertauftritte schon eine beachtliche Fan-Gemeinde um sich geschart hatten, bevor sie jemals ein Tonstudio betraten. Dieselben Fans waren des öfteren ziemlich enttäuscht, als die ersten Studio-LPs von Grateful Dead, Big Brother & The Holding Company, Country Joe & The Fish, Jefferson Airplane oder Quicksilver Messenger Service nicht dieselbe Aura und Faszination vermittelten wie die Auftritte. Steve Miller unterlief mit seiner Band diese Erwartungen, indem er die ersten Platten im fernen London von Glyn Johns genial als Blues/Pop/Psychedelic Rock-Mixtur produzieren ließ. Bei Columbia kam man dagegen auf die clevere Idee, das zweite Album von Janis Joplin und Band – mit einem renommierten Produzenten im Studio aufgenommen – als Live-Mitschnitt unter dem Titel „Cheap Thrills“ zu vermarkten. Der weigerte sich dann zwar, seinen Namen für die Platte herzugeben. Den Erfolg minderte das aber keineswegs.

Es dauerte Jahre, bis die meisten anderen Bands Live-LPs bringen durften. Aber selbst „Live/Dead“ oder „Bless Its Pointed Little Head“ waren nur Annäherungen an das Faszinosum ihrer Konzerte. Die einzige Platte, die das – obwohl eine Mischung aus Studio- und Konzertmaterial! – gänzlich zu vermitteln verstand, war „Happy Trails“ von Quicksilver Messenger Service. Und das wundersamerweise auch noch, obwohl auf eine gerade noch vertretbare LP-Dauer von 50 Minuten komprimiert.

Von den Grateful Dead gibt es seit vielen Jahren sorgfältig restaurierte und tontechnisch ganz hervorragend überarbeitete Mitschnitte wichtiger Auftritte. Ein aus den Höhepunkten mehrerer Fillmore-Konzerte rekonstruiertes „ideales“ von Jefferson Airplane steht wohl endlich auch ins Haus. Und regulär

gibt es jetzt das Silvesterkonzert, das Quicksilver Messenger Service zum Ausklang des Jahres 1970 im Kabuki Theatre gaben. Zu dem Zeitpunkt hatte Session Man par excellence Nicky Hopkins die Band schon wieder verlassen, und Dino Valenti war reumütig zurückgekehrt, nachdem sich sein von Bob Johnston produzierter Versuch einer Solo-LP als katastrophaler Flop erwies. Unter den Kollegen mit Greenwich-Village-Folk-Vergangenheit genoss er nach wie vor so legendären Ruf, dass Karen Dalton 1971 aus dem von ihm geschriebenen „Something On Your Mind“ eine der wunderbarsten unter vielen großen Aufnahmen ihres „richtigen“ Solo-Debüts machte. Neben Songs der letzten und anderen der noch gar nicht veröffentlichten neuen LP auch ganz frühe (den Folk-Klassiker „Pride Of Man“ von Hamilton Camp), obligatorisch Do Diddleys „Mona“ als Psychedelik-Marathon und – unvermeidlich – Valentis Drogensong „Fresh Air“ gleich zu Beginn des Konzerts. Wie bei Grateful Dead gehörte auch BuddyHolly („Not Fade Away“) zum festen Repertoire.

Anders als bei den Studioplatten dominierte Valenti mit seinem übergroßen Ego den Gang der Dinge bei Konzerten nicht annähernd in gleichem Maße, sodass die Bandmitglieder hinreichend Kostproben ihres instrumentalen Könnens geben konnten. Wie wenig sich Valenti als primus inter pares fühlte, beweisen im Übrigen die vier Aufnahmen, die – Studio-Proben von 1969 – hier als Zugabe zu hören sind. Soviel autoritäre Attitüde mochte Gitarrist John Cipollina auf Dauer nicht ertragen. Erst versuchte er sich wenig später mit Copperhead an einem eigenen Band-Projekt, um danach in Bands von Kollegen wie Terry Dolan die Rolle einzunehmen, die er längst brillant beherrschte, die des für geniale Soli bekannten Leadgitarristen. Viele Kostproben von Cips Kunst sind wieder auf der Expanded Edition von „Return To Silverado“ zu hören. Unverkennbar war Dolan bei einigen Kompositionen wie den hier erstmals nachgereichten „Country Plow“ und „So Who Asked You“ von den Rolling Stones der „Wild Horses“- und „Dead Flowers“-Zeiten inspiriert.

Bei der Klangqualität muss man hier seine Erwartungen beschränken: Es handelt sich, höflich ausgedrückt, um semiprofessionelle Mitschnitte aus Duncans Archiv.

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