Adrian Grunberg :: Rambo: Last Blood

Mit „Rambo 5: Last Blood“ setzt Sylvester Stallone seiner Action-Figur ein würdiges Denkmal. Bejubelt werden sollte der kranke Vietnam-Veteran auch diesmal nicht – aber man versteht sein Trauma nun ein bisschen besser.

Die Rezension enthält Spoiler.

Filme wie „Rambo: Last Blood“ werden heute eigentlich nicht mehr gedreht. Er bedient überkommene Vorstellungen von Geschlechter-Rollen: starker alter Mann rettet schwache junge Frau. Irgendwann geht es dem starken alten Mann nur noch um Rache nach dem Auge-um-Auge-Prinzip. Sylvester Stallone und natürlich auch Arnold Schwarzenegger drehten solche Filme bis in die späten 1980er-Jahre.

Beim fünften „Rambo“-Werk werden gewitzte Beobachter des Zeitgeists bestimmte politische Muster erkennen wollen. Gewann der Vietnam-Veteran 1985 in „First Blood: Part II“ für Ronald Reagan den Dschungelkrieg doch noch, und tötete neben etlichen Vietcong dabei auch Russen, und befreite er für Ronnie 1988 in „Rambo III“ die Taliban von der Herrschaft der UDSSR, und tötete dabei auch Russen, so dürften in diesem fünften Film viele an Donald Trump denken. Der will ja noch immer eine Mauer bauen, um Mexikaner von den USA fernzuhalten. Rambo geht den umgekehrten Weg, lockt die kriminellen Mexikaner über die Grenze auf seine Ranch nach Arizona, um dort kurzen Prozess mit ihnen zu machen.

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Am Ende sitzt er, wenn auch blutüberströmt, im Schaukelstuhl auf der Veranda. Blick übers weite Land, seine amerikanische Festung ist uneinnehmbar. Der Alte ist ein Prepper, der perfekte Fallen in einem Tunnelsystem unter der Farm baut. Darauf waren die Mexikaner nicht vorbereitet. Rambo ist auch ein White Saviour: Er beruhigt eine mexikanische Gefährtin, die glaubt, dem Kartell sei niemals beizukommen. Er löst diese Probleme für sie und ihn, indem er das komplette Kartell auf seinem eigenen Grund und Boden auslöscht. Rambos Kino-Odyssee begann vor 37 Jahren in „First Blood“, als ein Dorf-Sheriff den Vietnam-Heimkehrer aus seiner Stadt vertreiben will. Nun hat Rambo seinen Platz in Amerika gefunden und verteidigt ihn.

Trailer: „Rambo 5: Last Blood“

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„Rambo: Last Blood“ gehört zur Welle jüngerer brutaler Hollywood-Filme, in denen zunächst alle Protagonisten menschenverachtend zu sein scheinen. Die Werke S. Craig Zahlers, vor allem „Brawl In Cell Block 99“ und das brillante „Dragged Across Concrete“ gehören dazu, aber auch Henry Dunhams „The Standoff at Sparrow Creek“. Es war Kiefer Sutherlands Figur des Jack Bauer in „24“, die 2001 den Anfang in dieser Reihe machte. Der (Ex-)Geheimdienstler nahm sich größte Freiheit in der Wahl seiner Mittel, die Serie erhielt Emmys und den Golden Globe, und zumindest die Staffeln eins bis fünf gelten als Meisterwerke. All dies sind Stoffe, deren Figuren – ehemalige – Vertreter der Staatsmacht sind und im Alleingang Ordnung herzustellen versuchen, oder die glauben, moralisches Recht sei nur paramilitärisch aufrechtzuerhalten. „Unsere Polizei darf ja nicht über die Grenze“, sagt Rambo, und macht sich auf nach Mexiko. Wohl, weil er den Behörden misstraut. Und weil er einfachere Lösungen bevorzugt.

Mit Schlechtem (Gewalt) etwas Gutes zu tun (die noch Böseren töten) –man sollte versuchen, diese paradoxen Konfliktlösungen zumindest in der Kunst auszuhalten. Das heißt nicht, dass man auf Seiten dieser Anti-Helden stehen muss.

Nun ist Sylvester Stallone ein Republikaner, aber er ist kein Trump-Anhänger. Wer „Rambo 5: Last Blood“ als rechts-patriotischen Film identifizieren will, sieht die Figur des Ex-Soldaten vielleicht nicht so, wie Stallone es beabsichtigt hat. Was bedeuten kann, dass Stallone selbst nicht gut genug an seiner Vision gearbeitet hat. Was aber auch bedeuten kann, dass man in Rambo, der es mit dem schlecht gewählten Synonym „rücksichtsloser Draufgänger“ ins deutsche Wörterbuch geschafft hat, nur die tumbe Kampfmaschine sehen will.

Rambo organisiert eine Party

Zum ersten Mal in 37 Jahren Rambo gelingt es Stallone, hier mit seinem Regisseur Adrian Grünberg, den Green Beret mit Charakter und Motiv auszustatten. Familiäre Hintergründe, Moralvorstellungen, Zukunftswünsche. Wir lernen Rambo und sein Trauma kennen. Wenn er zittert, Flashbacks durchleidet, wenn er seine Pferde umsorgt, Musik hört, wenn er eine Party für seine Ziehtochter Gabrielle (Yvette Monreal) organisiert. In den anderen Filmen war Rambo nie im amerikanischen Alltag zu sehen. Im Exil vegetierte er vor sich hin. Erst diese Ruhe zuhause zeigt, wie gebrochen er ist.

Stallone wird nachgesagt, er empfinde für seine andere große Figur der Popkultur, Rocky Balboa, etwas mehr. Sie sei tiefgründiger. Das lässt sich nach diesem „Rambo“-Film nicht mehr aufrechterhalten. So wie in Ryan Cooglers „Creed“ von 2015, in dem Rocky eine Trainer-Rolle zugedacht wird, gibt sich der inzwischen 72-jährige Stallone deutlich mehr Mühe als zuletzt. Stallone kann, als Rambo, endlich überzeugend weinen. Und er trägt eine melancholische Ruhe in sich, die bei Balboa, dem Italo-Amerikaner aus der Unterschicht von Philadelphia, stets etwas gestelzt wirkte, und wie abgeschaut.

Nicht zuletzt hat Stallone sich körperlich in Form gebracht, sieht dennoch seinem Alter entsprechend aus, nicht mehr so aufgebläht wie zu „Rambo 4“-Zeiten, als er auch schon 61 war. Lederstirnband und Schmalzlocke hat er eingetauscht gegen graues Pomadenhaarbett und M65-Feldjacke, was an den „Taxi Driver“ Travis Bickle erinnert.

Ein Hobby-Analytiker würde in Rambos weit verzweigtem Tunnelsystem unter der Ranch, samt dessen Fallen und versteckten Waffensystemen, ein Sinnbild für sein Unterbewusstes sehen. Er lässt dort eine Party für Gabrielle steigen, dort erhält sie aber auch einen Anruf, der ihr aller Leben verändern wird. Und in den Katakomben, vielleicht sind sie ja den Tunneln in Vietnam nachempfunden, greift er am Ende zu Gewalt, wie es sie in einem Rambo-Film noch nie zu sehen gab. Die Teile zwei und drei gelten als „Blutorgien“, und das ist ein großes Missverständnis: die Anzahl der Getöteten war in beiden Filmen zwar rekordverdächtig – viel Blut aber gab es in ihnen nicht zu sehen. Hier schon. Köpfe platzen, und nicht nur Knochen, sogar Herzen werden mit bloßen Händen aus Körpern gezogen. Schlimmer geht’s kaum. Vor 25 Jahren wäre „Last Blood“ auf dem Index gelandet.

Stallone hat aus seinem Fehler gelernt

Nun wird Rambo aber auch von weit größerer Wut gepackt, als es bislang der Fall war. Das liegt auch am Verlust, den er zu ertragen hat, und unter dem man mitleidet. Stallone wird also die Schwäche des letzten Films von 2008 erkannt und daraus gelernt haben: Sein Veteran befreite darin amerikanische Missionare aus der Gefangenschaft einer Militärjunta in Burma, und das war aus zwei Gründen problematisch. Man empfand für diese Geistlichen nicht mehr als für Rambo selbst, und wenn überhaupt, dann hätte er sich auch gleich für die geknechteten Einheimischen statt für diese naiven Quasi-Touristen einsetzen können.

Rambo, der vor Burma schon in Vietnam den Dschungel las und sich undurchdringliche Vegetation als Kampfumfeld besser zu eigen machen konnte als der Vietcong, holt sich sein Vietnam also nach Hause. Die „prepare for battle“-Montage hat Stallone vom Western, das „Vater befreit Tochter aus den Klauen von Gangstern“-Motiv von den „Taken“-Filmen, und sein blutiger Streifzug mit Hammer im Bordell dürfte eins zu eins Lynne Ramsays „You Were Never Really Here“ nachempfunden sein.

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„Rambo: Last Blood“ funktioniert als Genre-Film, selten traut sich einer ja noch zu schreiben „Action-Film“, hervorragend. John Rambo ist ein Mensch mit vielen Fehlern, Eigenheiten und Spleens. Er wählt die wahrscheinlich schlechteste Invasions-Taktik seines Lebens, als er glaubt, sie könnte friedlich verlaufen: einfach so in die Villa der Kartell-Brüder Martinez reinmarschieren und die Freigabe Gabrielles zu fordern.

Aber dies ist eben auch der Film, in dem Rambo als Partymeister eine Geburtstagsfete für seine Ziehtochter schmeißt, und in dem Rambo, ehemals Höhlen-Rambo, ehemals Matsch-Rambo, ehemals Lagerfeuer-Rambo, sogar später in eine Disco gehen wird. Erstmals grinst er auch, bevor er mordet, und er tötet dabei nicht, um jemanden zu befreien oder sich den Weg freizuschießen: Rambo richtet jemanden hin und drapiert die Leiche wie in einem Ritualmord. Später legt er „Five To One“ von den Doors auf, um mit Musik sein Tunnel-Massaker zu choreografieren – aber auch um mit Jim Morrisons Titel jedem in sein Reich eingedrungenen Hörer klarzumachen, dass er eine Ein-Mann-Armee ist.

All diese Verhaltensweisen sind Beispiele dafür, wie krank der Mann ist, aber das macht seine Figur glaubhaft. Seine Pillen hatte er da schon längst weggeworfen. Man muss nicht auf Rambos Seite stehen, seine Methoden bejubeln. „Last Blood“ zeigt erstmals, welche Kämpfe er wirklich auszutragen hat.

Stallones zweitbester „Rambo“-Film nach „First Blood: Part II“ von 1985, und zusammen mit „Creed“ sein bester Film der letzten 35 Jahre.

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