Re-Mit :: Auf dem 30. Studioalbum zeigt sich Mark E. Smith wieder bissig
Wenn Mark E. Smith „Sound“ sagt (oder singt), dann zischt er das S sekundenlang vor sich her, als schösse eine Schlangenzunge in Zeitlupe aus dem Maul. Es scheint, als wolle der große nordenglische Pop-Agitator noch einmal das ganze Arsenal seiner Waffen vorzeigen: zerkaute oder zerdehnte, ausgespiene, fallen gelassene oder weit katapultierte Wörter, die aus dem mal maulig, mal mächtig intonierten Sprachfluss herausragen.
Das 30. Studioalbum der Band, es ist eines der guten. Stark und sperrig wie eine Barrikade aus den Stahlabfällen des untergegangenen Industriezeitalters, dessen rebellische Kinder The Fall sind. Das geht gleich mit einem tollen Plural los: „No Respects“ heißt das knappe, stürmische Instrumental zu Beginn, das dann sechs Stücke später mit Text versehen wiederholt wird. Konzentriert, repetitiv, archaisch, so klingt ein großer Teil dieser Tracks. Keine Gefälligkeiten, keine sofort einleuchtenden Popsongs. Statt dessen das rhythmisch taumelnde „Kinder Of Spine“, zu dem Smith mit sich selbst im Wechsel singt, mal infantil fistelnd, mal aus der Tiefe der Kehle bellend. Am Ende des bassgetriebenen „Hittite Man“ hustet er ab wie ein Lungenkranker und postuliert „Death does not exist“. Er wolle den Leuten Angst machen, hatte Smith im „NME“ verkündet – hier gelingt es ihm. Aber natürlich gelingt nicht alles: Stücke wie „Noise“ oder „Pre-MDMA Years“ zerbröseln, ohne sich je wirklich zu einem Song zu formen. Damit stehen sie in scharfem Gegensatz zum eingangs erwähnten „No Respects“, das klar zum Fall-Hit taugt, oder dem extrem nasalen und sich in Pere-Ubu-Höhnen schraubenden „Victrola Time“ und dem von marschierenden Drums geleiteten „Jetplane“.
Unterm Strich ein überraschend straightes Album. The Fall lebt also – die aktuelle Besetzung existiert seit Mitte der Nullerjahre, nachdem Smith seine Band auf einer von Ausfällen und Rüpeleien geprägten Amerikatournee verloren hatte. Nur Smiths aktuelle Ehefrau und Keyboarderin, Elena Poulou, ist bereits ein paar Jahre länger dabei. Zum Jubiläum nun lässt Smith im Presseinfo gewohnt lakonisch mitteilen: „The Fall formed in Manchester in 1976 and has existed ever since.“ So ist es. Oder, wie es John Peel formulierte:“They’re always different, they are always the same.“(Cherry Red) SEBASTIAN ZABEL