Reggae & Dub von Joachim Deicke
Dub ist das Geräusch, das aus dem Zusammenspiel einer beträchtlichen Menge rauchbarer Nutzpflanzen und eine frei definierbaren Anzahl von Flachbahnreglern entsteht. Aus genau diesem Grund ist es in der Regel erheblich unterhaltsamer Dub-Reggae zu produzieren, als ihn anzuhören. Der Genre-Altmeister MAD PROFESSOR verspricht zwar eine dritte „Evolution Of Dub“ (Ariwa), aber viel hat sich leider nicht entwickelt. Es rattert und schaukelt unerbittlich voran, und verhallte Klang-Wolken treiben ziellos durch das Rhythmus-Gerüst: Herr Professor, das ist Dub wie aus dem Schulbuch. 1,0
Auch im Verein mit JAH SHAKA zettelt der Herr Profesor keine „New Decade Of Dub“ an (Ariwa). Da werden zwar alle Register und Regler gezogen, aber man muß schon sehr viel Rauch in der Birne haben, um nicht nach spätestens drei Titeln von der Monotonie des kunstfertigen, aber inhaltlich leeren Geklappers erschlagen zu werden. 1,0
Auch des Professors wortgewaltiger Mitstreiter RANKING JOE leidet unter ähnlichen Symptomen: Vor zehn Jahren wäre eine Platte wie „F/Fwd. To Africa“ (Ariwa) noch positiv aufgefallen – heute wirkt das engagiert rollende Wortgewitter über den vorwärts schaukelnden Rhythmus-Konstrukten antiquiert und belanglos. 2,0
S.E.T.I. – alias Andrew Lagowski, Amerikaner mit extraterrestrischen Ambitionen – geht zwei Schritte weiter. Seine „Geometry Of Night“ (incoming!) hat die Dub-Architektur mit der beunruhigenden Dunkelheit jenseitiger Klangteppiche gekreuzt. Der ausgedehnte Tanz um die Satelitenschüssel klingt düster, geheimnisvoll und durchweg sehr hypnotisch. 3,0
Aural eingenommen ist „The Map OfLove“ – das Debüt des neuseeländischen Duos COSA – einfach berauschend (incoming!). Jede ihrer unheimlichen Klangreisen erzeugt einen anderen Film im Kopf, und die zahlreichen, gekonnt gespielten Naturinstrumente bewahren diese Platte vor sphärischer Arroganz, vor sinnlosen Höhenflügen.
Musikalisch ist alles drin; Trance-Jazz, Neo-Dub, Ambient-House, Ethno-Rave – und noch ein paar andere sehr frei kombinierbare Schlagworte. 4,0
Mitteleuropas strahlendste Reggae-Hoffnung THE VISION haben sich mit „Namas T“ endgültig freigespielt (Fünfundvierzig). Lange eiferten sich dem „original island stylee“ nach -jetzt haben sie eine ganz eigene schillernde Variante des Reggae kultiviert, die nicht mehr in Kingston, London oder New York entstehen könnte. Hintergründig kreuzt die Musik zwischen erdigmelodischen Songs und schwebende Dub-Passagen; zwischen Himmel und Erde, Tag und Nacht. 4,0
Geradlinig, diesseitig und berechenbar hat sich Winston Rodney alias BURNING SPEAR in den Sommer geworfen: „Not Stupid“(Dèclic) ist zwar nur eine Single,jedoch so angenehm swingend und clever, daß man diese Platte getrost dreimal täglich in die Kinnlade des CD-Players legen kann. 4,0
Ein veritables „Miracle“ (On-U-Sound/EFA) hat der Jamaikaner BIM SHERMAN mit Adrian Sherwood in die Welt gesetzt Reggae unplugged: sanfte, nachdenkliche Songs über dem Schwelgen einer hinreißenden Streichergruppe aus Bombay, unterbrochen von den träumerischen Halbsätzen einer akustischen Gitarre, begleitet vom leisen Klopfen der Tablas. Diese „Wunder“-Platte sprengt jeden stilistischen Rahmen, und Shermans warme, leise Stimme über der orientalisch-europäischen-karibischen Brücke erzeugt diese leisen Schauer auf dem Rücken, die viel zu selten entstehen. 5,0
Es wurde ja auch Zeit: Der karibische Teil Frankreichs hat sich endlich von der tumben Rums-Bums-Fröhlichkeit des Zouk gelöst. Der neueste Riddim der, Jsles“ ist der „Regga“ anders, französischer, augenzwinkernder, melodischer und entspannter als die englischsprachige Variante. Die Sampler „Ragga Sun Hit 2“ und „Ragga Dub Force Pa Mi prèsentent Diasporagga“(Blue Silver/Declic) liefern betörend smart produzierte Hits von Martinique und Guadeloupe. 3,0