Replays 1 von Franz Schöler
Vielleicht ist es ja sein Phlegma. Wahrscheinlich aber auch seine überaus ausgeprägte selbstkritische Einstellung gegenüber der eigenen Arbeit, die dafür sorgten, daß RANDY NEWMAN im Lauf von drei Jahrzehnten gerade mal neun Studio-LPs – die Soundtracks nicht mitgezählt – vorlegte. Von denen hätten wiederum die ersten fünf zusammen bis auf einen Zwei-Minuten-Song auf zwei CDs locker Platz! Um so verblüffender finde ich als eingestandener Randy-Newman-Fan der ersten Stunde, daß mindestens ein Dutzend seiner allergrößten Songs unter den immerhin 50 Aufnahmen der ersten beiden CDs von „Guilty -30 Years Of Randy Newman“ (Warner Archives 8122-75567-2) fehlen. „Old Man“ und „Rollin'“ oder „If You Need Oil“ genauso wie „Texas Girl“, das grandios arrangierte „Sigmund Freud’s Impersonation Of Albert Einstein In America“ oder „Laughing Boy“, auf die seine befreundeten Produzenten Russ Titelman und Lenny Waronker wie auch „Billboard“-Chef Timothy White in ihren Linernotes ausdrücklich Bezug nehmen. Vermutlich ging man bei der Auswahl davon aus, daß dies Box Set weit überwiegend braucht, wer sowieso schon alle Platten des Meisters besitzt Also präsentierte man die Studioaufnahmen in phantastischer neuer Überspielqualität auf CDs 1 und 2; reservierte die dritte CD für 31 (!) Singles, Demos, Outtakes und jede Menge faszinierender Raritäten (darunter die Ur-Aufhahme von „Gone Dead Train“) sowie einige Live-Mitschnitte (darunter wiederum „Feels Iike Home“ und das gänzlich unveröffentlichte „Magic In The Moonlight“); destillierte schließlich aus den Soundtrack-Arbeiten zu mehr als einem Dutzend Filmen eine Auswahl von 24 Aufnahmen, die beweist: Dieser Newman ist längst ein so großer Filmkomponist wie die berühmten Onkels Alfred, Emil und Lionel. Jede Aufnahme kommentiert er so lakonisch und mit doppelbödigem Witz wie den jeweils nächsten Song bei Konzertauftritten. Am Ende wird selbst in dieser – im Vergleich zu Dylans Box Sets eher knappen – Auswahl klar, wieso der Mann, der sich selber als totalen Langweiler bezeichnet, einer der beiden größten lebenden amerikanischen Singer/Songwriter ist Und obwohl das Set nicht mal einer „Very Best Of“-Retrospektive nahekommt, sind 5,0 in diesem Fall eigentlich noch 1,0 zu wenig!
Wie man als Meister der leichteren Muse das Songschreiber-Handwerk bis zu einem Punkt perfektionieren kann, an dem die Unterscheidung zwischen Können und Kunst ziemlich belanglos wird, dokumentiert „The Look Of Love -The Burt Bacharach Collection“ (Rhino R2 75339/contraire). Was nun nicht heißen soll, daß BURT BACHARACH Songs auf einem George Gershwin, Irving Berlin, Cole Porter (oder Randy Newman) vergleichbaren Level geschrieben hätte. Aber er fand für seine „Ohrwürmer“ im Lauf seiner langen, abwechslungsreichen Karriere (fast) immer ideale Interpreten. Deren Liste ist – von Perry Como und den Drifters bis Dionne Warwick – so schier endlos, daß man mühelos 75 Aufnahmen auf drei CDs packen konnte. Und nur die Originalaufnahmen! Für brillante Cover-Versionen – etwa Ry Cooders Neuaufnahme des von den Drifters gesungenen „Mexican Divorce“ – wären da maximal noch gute zehn Minuten Zeit gewesen. 4,0
Charly Records gibt vor, die TOWNES VON ZANDT-LPs der „Tomato“-Ära in Remaster-Qualität wiederveröffentlicht zu haben. Tatsache ist: Der auf zwei CDs komplettierte Konzertmitschnitt „Live At The Old Quarter Houston, Texas a hat jetzt dank der sehr guten Nachentzerrung zumindest respektable „Official Live Bootleg“-Qualität Fast alle Studioaufnahmen sind in der Klangqualität identisch geblieben. Nur „The Lote Great Townes Van Zandt“ klingt jetzt, obwohl vor nur zwei Jahren von EMI in den USA in exzellenter Überspielung „High, Low And In Between“ auf einer CD gekoppelt, Klassen schlechter aus zuvor. Ein Ärgernis.
Da bemühen sich andere Firmen denn doch entschieden kompetenter, VON FRANZ SCHÜLER die musikalische Hinterlassenschaft ihrer größten und populärsten Interpreten klangtechnisch auf den neuesten Stand zu bringen. Sony hat nun auch die restlichen acht BILLY JOEL-LPsprozessiert. Mit dem Resultat, daß jetzt sogar das schon für die „Mastersound“-Serie renovierte „52nd Street“ (Columbia 491185 2) nochmals besser klingt. 4,0
Hier wie auch bei den STING-Remasters gibt es als Zugabe reichlich Videos als Multimedia-Unterhaltung, abspielbar via PC. Und ähnlich wie im Fall des generalüberholten Dire Straits-Katalogs ist der klangliche Mehrwert bei den frühen Aufnahmen am spektakulärsten, sprich bei „The Dream Of The Bitte Turtles“ (A & M 540 992-2), dem Live-Mitschnitt „Bring On The Night“(549 994-2, beide 4,0) und „Nothing Like The Sun“ (540 993-2, 4,5 ). Was nur recht und billig ist, denn das waren allemal die besten „Solo“-Platten von Gordon Summer.
Auch FRANK SINATRAs größtes Album seiner Reprisejahre das mit dem „Grammy“ ab „Album des Jahres 1965“ dekorierte „September Of My Years“ (Reprise 9362-46946-2) wurde zumindest in den USA mittlerweile in absolut süperber Neuüberspielung veröffentlicht. Nie klang dieser melancholische Song-Zyklus hinreißender als hier. Dem Tonmeister Keith Blake gebührte dafür – wenn’s den schon gäbe – der Remastering-„Gramtny“ desJahres ex aequo mit Lee Herschberg (für die besprochene Randy-Newman-Box). 5,0
Anders als bei den technisch weithin verhunzten Kinks-Neuauflagen der Pye-Ära haben zwei Tönleute im Fall der drei NICE-Remaster ausnahmsweise mal alles richtig gemacht Was zuvor von „The Thoughts Of Enterbst Davejack“ (Casde ESMCD 647), „Ars Longa Vita Brevis“ (ESMCD 646, beide 3,0) und „Nice“ (ESMCD 645, 3,5) auf CDs zu hören war, klang gegen diese überarbeiteten und mit Bonus-Tracks angereicherten Versionen – wundersamerweise fehlt „America“, da werden wohl Leonard Bernsteins Erben den Anwalt bemüht haben so absolut grottenschlecht, daß man die früheren CDs nicht mal an die örtliche Pfarrbücherei verschenken kann.
Weil man bei Columbia MARVIN GAYE in Erinnerung halten möchte, veröffentlichte man „Midnigkt Lore & The Sexual Healing Sessions“ (491572 2) – das Album samt unveröffentlichtem Studiomaterial. 4,0