Replays 1 von Franz Schöler

Als im Juni 1975 aus dem ROLLING STONES-Nachlaß der Sampler „Metamorphosis“ veröffentlicht wurde, hatte der sofort seinen Spitznamen weg: „Kleins Rache“! Jetzt hat sich der ehemalige Finanzmanager der Beatles und Stones noch einmal gerächt. Ab sofort dürfen die Decca-Aufhahmen von Jagger de Co. weltweit nicht mehr in den britischen Original-Fassungen, sondern ausschließlich in den amerikanischen Zusammenstellungen gehandelt werden. So will es Allen Klein, und dem hat sich der Polygram-Konzern zu beugen. Mit dem Ergebnis, daß es Platten wie „Aftermath“ oder „Between The Buttons“ nicht nur in den kürzeren Versionen, sondern zudem auch nur noch in entschieden reduzierter Klangqualität gibt. Daß man Hits wie „It’s All Over Now“, „Satisfaction“, „Paint It Black, „Get Off Of My Cloud“ oder „We Love You“ auf den von ABKCO genehmigten CDs vergebens in den Stereo-Mixes sucht. Und daß man Aufnahmen wie die Fünf-Minuten-Version von „Everybody Needs Somebody To Love“ überhaupt nirgends mehr findet. Eigentlich wäre das jetzt die große Stunde all jener Dealer, die Vinyl-Junkies noch mit Nachschub versorgen: Sie könnten prima LPs von den originalen Decca-Bändern pressen lassen. Vielleicht genehmigt das der ABKCO-Boß sogar, wenn man ihm nur genügend Geld bietet? Keine Wertungen.

Im Fall der STEVE WINWOOD-Retrospektive „The Finer Things“ (Island 516 860-2) dagegen verfugte die Polygram über sämtliche Rechte und auch die Originalbänder. Also ließ Produzent Bill Levenson dafür die Aufnahmen der Spencer Davis Group noch einmal neu und anders entzerrt als bei der „Best of The Spencdr Davis Group „-Kompilation (Island 848 092-2, 4,0) überspielen und benutzte im Fall der Traffic- wie auch der späteren Solo-Aufnahmen fast durchweg die Ur-Master. Deprimierend sind klangtechnisch wieder mal nur zwei Blind Faith-Tracks: Das seinerzeit für den LP-Umschnitt benutzte Band scheint endgültig verloren zu sein. Davon abgesehen ist das 4-CD-Set ein Musterbeispiel dafür, wie man’s in Sachen Klangqualität richtig macht. (Siehe hierzu auch „Replays 2“.) Auch bei dem GEORGE JONES-Doppelset „Cup Of Loneliness – The Classic Mercury Years“ (Mercury 522 635-2/IMS) legen die Polygram-Techniker ausdrücklich Wert auf die Feststellung, daß bei diesen frühen Aufnahmen des Country-Idols „premium sound quality from the original masters“ geboten werde. Und verblüffenderweise sind die tatsächlich oft besser als die der insgesamt 257 Mono-Mitschnitte, die zehn Jahre später die Beatles für die BBC aufnahmen. 3,5

Was für Bewunderer und Sangeskollegen von Keith Richards bis Elvis Costello die Faszination ausmacht, kann man gründlicher noch anhand der weit umgangreicheren Werk-Schau „The Essential George Jones -The Spirit ofCountry“ nachvollziehen (Epic Legacy E2K 52451/Sony Import). In einer very-best-Auslese wird hier die von Drogen- und Alkohol-Exzessen doch nie ruinierte Karriere eines Menschen dokumentiert, der die Gattung der „Schnulze“ adelte wie wenige vor ihm oder seither. Wer seine unlängst erschienenen „Bradley Barn Sessions“ als reifes Alterswerk empfand, findet hier alle Country-Klassiker seiner großen Jahre. Eine 32seitige Broschüre präsentiert viel Kollegen-Lob und vergleichsweise dürftig geratene liner notes. 4,5

George Jones überlebte bislang noch alle Exzesse, Pop-Crooner HARRY NILSSON – obwohl Jahrgang 1941 und deutlich jünger nicht. Legende wurden die Sauftouren dieses baumlangen Kerls mit Gleichgesinnten wie John Lennon und Ringo Starr. Beatles-Publizist Derek Taylor schrieb denn auch das Vorwort zum jetzt veröffentlichten Doppel-Set „Personal Best – The Harry Nilsson Anthology“ (RCA 66354-2/ARIS), das in zweieinhalb Stunden neben den Hits („Without You“, „Everybody’s Talking“) auch manche Flops (etwa seine frühen Aufnahmen von Randy-Newman-Songs) in durchweg ganz vorzüglicher Klang-Qualität präsentiert Im Zweifelsfall produzierte man für dieses liebevoll konzipierte Set neue Stereo-Retnixes von den ursprünglichen Multitracks. Im Rückblick wird eindeutig klar: Im Gegensatz zu seinem Idol Orson Welles war Harry im Grunde ein großer Melancholiker. 4,0

Als kurzen – nur 14 von 39 Aufnahmen -, dafür allerdings auch spottbilligen Auszug aus der „Jazz To Soul“-Box gibt es jetzt auf „Aretha Sings The Blues“ (Columbia 478114 2) Talentproben aus ARETHA FRANKLINS frühen CBS-Jahren. Empfehlenswerter bleibt allemal das genannte Doppel-Set aus der Lecay-Serie (C2K 48515/ Sony Import). Und sei es nur deswegen, weil man sich hier immer wieder wundern darf, warum damals kein Produzent das ganze Potential dieser begnadeten Stimme nutzte. 3,5

Als sie wenige Jahre später „Lady Soul“ und „Aretha Now“ aufnahm (beide 1968, jetzt auf goldbedampfter CD zusammengefaßt: MFSL UDCD 623, über in-akustik), war sie zum Star avanciert und auf dem Höhepunkt ihres Ausdrucksvermögens angelangt. Hat irgend jemand jemals inbrünstiger ein Lied gesungen als Aretha „Good To Me As I Am To You“? 4,5

Ähnlich grandios sang manchmal die junge ANN PEEBLES etwa bei den frühen, nun zu einer CD zusammengefaßten Alben „Straight From The Heart“ und „I Can ‚t Stand The Rain “ (Hi Records 137), beides Meisterwerke des Memphis-Soul – und mit 4,5 beinahe noch unterbewertet. Ihre neue Kompilation bietet die “ U.S.R & B Hits ’69 – 79″ (HILOCD 13). Eine unverzichtbare Pflicht-Sammlung für alle Soul-Fans bleiben dennoch die 26 Aufnahmen der randvollen „Greatest Hits“ (Hi CD 100, alle erhältlich über TIS).

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