Replays 2 von Bernd Matheja

Anno 1970, da war mit JOE COCKER gar nix. Warum also die US-4-CD-Box „The Long Voyage Home“ (A&M 540 236) den Untertitel „The Silver Anniversary Collection“ trägt keine Ahnung. Sollte das Jubiläum von „With A Little Help…“ (zweimal enthalten) gemeint sein, dann kommt das Teil zwei Jahre zu spät. Sei’s drum. Viel ärgerlicher, daß bei einer möglichen Spieldauer von ca. 310 Minuten (nicht voll genutzt) Cocker-Klassiker wie „Bird On The Wire“, „Seven Days“, „Shelter Me“, „Don’t You Love Me Anymore“, „St. James Infirmary“ und andere nicht vorkommen! Auch ungut: Wer die Box (logischerweise eingeschweißt) erwirbt, erfahrt nirgends, daß über ein Dutzend der 63 Tracks Live-Takes sind – viele zwar unveröffentlicht, aber: Standards, die es ohnehin schon von anderen Konzerten gibt. Positiv: Der Sound ist insgesamt verbessert, und mit „The Weight“ und „Wake Up, Little Susie“ hat’s zwei echte Studio-Ausgrabungen. Das aber ist zu wenig! Zumindest die „PflichtTeile“ sollten bei einem solchen Großprojekt untergebracht sein. Musik: 3,5 Kopplung:1,5

ROD STEWARTS absolut beste Eigenkomposition (Text & Musik) ist „Blind Prayer“ von 1969. Auch auf der neuesten Kompilation, „Handbags & Gladrags“ (Mercury 528 823), fehlt der Titel – peinlich. Dennoch hat dieses 2-CD-Set Format. Nicht zuletzt dank fünf bis dato unveröffentlichter Tracks: sämtlich langsam bis mittelschnell, und in allen fünf Fällen völlig unverständlich, daß sie zur Entstehungszeit (um 1973) nicht auf den Markt kamen. Die 37 Stücke umfassen alle Klassiker der Jahre 1969 bis 1974, das Gros steht auf halbakustischem Fundament, was dem Dauertrend nicht gerade entgegenwirkt. Stewart erwies sich in der Zeit vor Unsäglichkeiten ä la „Hot Legs“ etc. als exzellenter Interpret fremden Materials (Dylan, Stones, Elton John, Sam Cooke, Labi Siffre) und lange ungewürdigter Autor in eigener Sache. 4,0

Folkrock mit den STRAWBS, das war fast immer etwas Besonderes. Die Band um Dave Cousins hatte – trotz unzähliger Besetzungen – stets die Kompetenz, auf die andere drei Karrieren lang warten. Ein Beweis für die Klasse der Engländer sind gerade die Nicht-Original-AIben. Bei anderen Combos meist Archiv-Schrott, hier ohne Qualitätseinbußen. Ob „Preserves Uncanned“ (Frühwerke von 1968/2 CDs, RGF DCD 003), ob „Greatest Hits Live“ (TV-Soundtrack von 1990, RGF CD 015) oder „Heartbreak Hill“ (1979 gefertigt, damals nicht veröffentlicht, RGF CD 024) – alles aus der gehobenen Handelsklasse und bei weitem nicht nur für Puristen geeignet. Gesamtwertung: 3,5

Noch einen Tick darüber liegt „Old School Days“ (RGF CD 004):

DAVE COUSINS & BRIAN WIL-LOUGHBY als Akustik-Duo, aufgenommen 1979. Klassische Unplugged-Ware, aber halt ohne die oft spürbaren (Krampf-)Zwänge, die in dieser Sparte heute so gern mal anfallen.4,0 Eher skandalös dagegen: „To Be Or Not To Be“ (Magnum CDTB 170) von den BEE GEES. Den 26 gruftigen Nummern aus den Jahren 1963 bis 1966 zu lauschen, kommt einem medizinischen Selbstversuch gleich. Zum wiederholten Mal ausgegraben (und mit verfälschendem Cover versehen), klingen diese Titel übler als je zuvor. Die firmeneigene Qualitätswertung auf dem Cover („9/10“) muß ein Hirni ohne Ohren festgestellt haben. Mit sehr viel Wohlwollen: 1,0 Tauchte Mitte der Sechziger eine sogenannte „Beatplatte“ des Labels Elite Spezial auf, konnten sogar Lahme wieder rennen. Und zwar weg! Heute, wie könnte es anders sein, wird in Sammlerkreisen wieder gerannt. Aber hin! Die Schoten, die jene Firma unters Volk brachte, haben längst den Kuriositätsfaktor hundert erhalten. Gleich 24 dieser Gurken gibt’s auf „Rare &Raw Beat Front The Sixties“ (Gee-Dee CD 270113/TIS), zumeist von deutschen Bands durch den Schredder gejagt, von denen die Rollicks bereits unter dem Bekanntheitsgrad „A“ rangieren. Der Titel-Zusatz „VoLl“ läßt Arges vermuten. Musik-Wertung: knapp unterhalb H, Sammlerwert: 4,0

Ein qualitatives Schmankerl erster Klasse dagegen ist „Goldtop“ (RPM 154/Contraire), eine vorzügliche Crossover-Kopplung mit Songs bzw. Mitwirkungen des Spitzen-Gitarristen Terence „Snowy“ White aus den Jahren 1974 bis 1994. Knapp 80 Minuten laufen 17 Tracks ohne jeden Ausfall: Unter eigenem Namen wechselt der ewig unterbewertete Engländer zwischen exzellenter Schönspielerei („Highway To The Sun“, „Bird Of Paradise“) und schroffem Puristen-Blues. Ebenso überzeugend: seine Gastauftritte für Thin Lizzy, Rick Wright und AI Stewart Highlights: die bis dato unveröffentlichte Version von Pink Floyds „Pigs On The Wing“ und zwei Alternativ-Fassungen von Songs mit Peter Green, „In The Skies“ und „Slabo Day“. Verblüffend: Whites stimmliche Ähnlichkeit mit der Fleetwood Mac-Legende. Daß es ohnehin White war, der auf der Green-LP Jfn The Skies“ alle Soli spielte, dürfte inzwischen bekannt sein. 4,5 für Musik, solistische Leistung und CD-Konzept.

Noch nicht so alt, aber speziell für Zwölftakt-Freaks so interessant: die METROPOLITAN BLUES ALL-STARS. Zwei ihrer makellosen LPs waren 1986 nur auf lokalen US-Kleinst-Labels erschienen. Auf der CD „Trying Times“ (Hermans’s HE 008/TIS) wurden beide Scheiben untergebracht. Wer auf die Nighthawks oder Stilverwandtes steht, sollte der Crew um das Harmonika-As Rodney Hatfield und den Top-Gitarristen Nick Stump mal die Ohren leihen. Nicht unbedingt spektakulär, aber grundgut. 3,0

Anfang der 70er Jahre vagabundierten DRUID durch die Londoner Pubs – den dazugehörigen Rock allerdings hatten sie weniger im Programm. Das Quartett produzierte einen zu „großen“ Sound. Die Doppel-Packung „Tbward The Sun“/“FluidDruid“ (KGO CD 285) wirkt heute eher angestaubt. 2,0

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