REPLAYS1 :: VON FRANZ SCHÖLER

Weil die Aufnahmen, in deren Verlauf der Produzent LEE PERRY die Wailers um die Wende zu den 70er Jahren von einem Ska-Sanges-Trio zur richtigen Reggae-Band transformierte, überwiegend immer auf Raub-Platten zirkulierten, wurde diese Leistung nie so gewürdigt wie die Verdienste von Island-Boß Blackwell um die Superstar-Karriere von Bob Marley. Perrys Aufnahmen vor und nach seinen Island-Jahren 1975 bis 1979 mit den Upsetters, unter obskuren Pseudonymen und „solo“, muß man auch mühsam suchen. Wenigstens die Island-Jahre, die zu den produktivsten des Dub-Meisters gehören, bevor er sein „Ark“-Studio abfackelte, sind endlich mit dem 3-CD-Set „Arkology“ (Island 524 379-2) gebührend gewürdigt. Ein Fest für Reggae-Fans, bietet das in fast vier Stunden mit 52 Aufnahmen „seiner“ Künstler neben den bekanntesten Produktionen auch alternative Maxi-Mixes so famoser Songs wie „Roast Fish and Corn Bread“. Verblüffend bei dieser Retrospektive ist die Qualität, in der die Aufnahmen dieses leicht durchgeknallten Chaoten über die Jahre hinweg erhalten geblieben sind. Spliffs werden hier nicht mitgeliefert, aber ein sehr farbenprächtiges Büchlein mit ein paar irren Anekdoten und Fotos, die wieder die Frage aufwerfen, ob der Mittelname des Mannes statt „Scratch“ nicht korrekt „Crazy“ ist. 4,5

Künstlerisch ganz hochkarätigen Nachlaß findet man auch auf Vol III und IV der „BBC Tapes“-Serie von ROY HARPER (EFA CD 052.70 und 052.71). Die John-Peel-Sessions, aufgezeichnet während der kreativsten Schaffensphase parallel zu „Flashes From The Archives Of Oblivion“, überschneiden sich teilweise im Repertoire mit dem Material von Folge 2, nicht aber in dessen Interpretation. Harper war nie der Künstler, der einen Song zweimal identisch vortragen konnte. Folge 4 bietet den einzigen Live-Mitschnitt mit der Band Trigger, mit der er das Meisterwerk „HO“ aufgenommen hatte. Auch als Rarität verdient das 4,0.

Von den Demos, die Mike Heron und Robin Williamson als THE INCREDIBLE STRING BAND vor ihrem zweiten Album „The 5000 Spirits Or The Layers Of The Onion“ auf professionellem Gerät quasi als Generalprobe aufgenommen hatten, blieben wundersamerweise 13 Aufnahmen auf Band im Island-Archiv (und nicht bei Elektra) erhalten. Sechs der Songs schafften es nicht auf die dann von Joe Boyd produzierte LP, sind also für Fans dieses Kult-Duos schon deswegen von Interesse. Schlicht faszinierend aber ist die „unplugged“-Fassung des ISB-Klassikers „First Girl I Loved“: als spontanes Demo noch fesselnder und berührender! 4,0

Das neue, im Konzept sowie in der Songauswahl indiskutable bis hirnrissige „Best Of“-Plättchen von BOB DYLAN (Sony TV28CD) macht Song für Song im Vergleich nur offenkundig, wie medioker bis lausig die Überspielqualität der meisten Dylan-CDs bislang anscheinend ausfiel. Also wartet man gespannt auf das für Herbst avisierte gute halbe Dutzend Dylan-Remaster. Keine Wertung!

Ein Meilenstein der Folk-Musik wurde hier ausgegraben: das 1965 von JOHN FAHEY aufgenommene Album „The Transfiguration Of Blind Joe Death“ (Takoma CDTAK 7015/TIS). Da wurde fast jeder Song mit seiner spezifischen Spieltechnik zur Blaupause für Schüler wie Leo Kottke und andere Virtuosen unter den gelehrigsten aller Gitarristen. Einsame Klasse. 5,0

Mit einem absolut unverwechselbaren, gleichwohl „klassisch“ inspirierten Sound debütierten 1967 PROCOL HARUM. Genau genommen war das ein folgenschweres Mißverständnis, diese eigentlich stark bluesorientierte Gruppe mit dem Bach-Zitat von „A Whiter Shade Of Pale“ zu identifizieren. Die folgenden LPs korrigierten das mit ihrem unerhörten und grandiosen Klavier/Orgel/Gitarren-Mix. Die kryptischen Songtexte von Keith Reid hat bislang noch niemand restlos enträtselt, aber das ist Teil ihres ungebrochenen Reizes. Im Fall des Debüt-Albums (Repertoire REP 4666) war wohl kein Stereo-Remix möglich. Besser ausbalanciert als die Teldec- und Castle-CDs ist die Mono-Version hier dennoch. Um Welten besser als zuvor auf der restlos verfärbt klingenden und von miserabler Kopie übernommenen Version des Castle-„twofers“ kommt jetzt „Shine On Brightly“ (REP 4667). Weithin identisch mit dem ist dagegen die sehr gut Überspielqualität von „A Salty Dog“, dem besten und – nach dem Erfolg der „In Held Twas In I“-Suite – experimentierfreudigsten Album der Gruppe. Wie diese bietet auch „Home“ aus dem Nachlaß reichlich Bonus-Tracks für alle auf Raritäten begierigen Procol Harum-Bewunderer. Qualitativ hochkarätige Ausgrabungen, die überfällig waren, auch wenn das garantiert keine Britpop-Vorläufer sind, sondern damals schon: ein absolut singuläres Phänomen. 4,0/4,0/4,5/3,5 Das definitive Sammlerteil für den kompromißlosen Fan, der alles von seinem Idol haben muß, ist die 4-CD-Digipack-Box „Platinum – A Life In Music“ geworden (RCA O7863-67469-2). Von den 99 Musikaufnahmen aus der langen Karriere von ELVIS PRESLEY waren angefangen von einem wiederentdeckten Demo von 1954 bis hin zu Take 3 des Johnny Ace-Hits „Pledging My Love“ – mehr als drei Viertel des Materials unveröffentlicht und auch kaum auf Bootlegs zu haben. Die „unpIugged“-Aufnahmen aus der Garderobe während seines TV-Comebacks 1968 mitgeschnitten wecken den Wunsch, daß man endlich dies legendäre TV-Special in kompletterer Form rekonstruieren und besser überspielt wiederveröffentlichen sollte. Große Momente wie „A Mess Of Blues“ oder „Guitar Man“ sind auf diesem Set allerdings nicht so zahlreich, daß der Nicht-Presley-Fan dafür ansparen sollte. Für Presley-Verehrer freilich doch: 4,0

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