Replays2 :: von Bernd Matheja

Zeit wurde es ja: Das klangliche Polieren der 15 bis 25 Jahre alten VAN-MORRISON-Alben (inzwischen auf Polydor) hat begonnen. Zwangsläufig ohne die Klassiker „Astral Weeks“, „Moondance“ und „Street Choir“ (andere Firma). Dennoch: Auch das Vorliegende kann sich hören lassen bei abgedämpften Grundrauschen hat die Transparenz gewonnen, in Teilen sogar erheblich, und das im Midprice-Segment! Auf „Tupelo Honey“ (537450) pflegte Van 1972 sein kalifornisches Wohlgefühl; 3,0 für eine Sommerplatte.

„Saint Domink’s Preview“ (537451), Soul meets Irish Roots, ausufernd und im epischen „Listen To The Lion“ eine Besinnung auf „Astral Weeks“-Tage (4,0).

Die Herbst- und Winter-Veranstaltung „Hard Nose The Highway“ (537452) bleibt bis heute diffus – zwischen dem Klassiker „Snow In San Anselmo“ (was für ein Arrangement!) und Kastanien-Rösterei im „Autumn Song“. Den Jahreszeiten gemäß eine Arbeit, mit der richtig warm zu werden weiterhin schwer fällt (3,0).

Irland, die zweite: „Veedon Fleece“ (5,0 ) ist ein folkloristischer Geniestreich für die ganze Ewigkeit; „Bulbs“, „Streets Of Arklow“, „You Don’t Pull No Punches, But You Don’t Push The River“ – Karriere-Highlights en gros in einem Sound, der an Intimität und kristallener Klarheit nichts vermissen läßt (537456). Zu einer der besten Live-Scheiben überhaupt (auf den Fersen: „Face To Face“ von Cockney Rebel) geriet „It’s Too Late To Stop Now“ (537 453): Morrison und das kongeniale Caledonia Soul Orchestra mit der ganzen stilistischen Palette. Blues, Jazz, Folk, Rock, in Reinkultur – verdichtet zu einem volkkommen singulären Ereignis (5,0).

Eine dreijährige Pause bekam dem Nordiren danach weniger gut. „A Period Of Transition“ (537457) von 1977 wirkt auch 20 Jahre später wie eine Verlegenheitslösung. Die exzellente Band (mit Dr. John, Reggie McBride und OUie Brown) mußte sich mit – für Vans Verhältnisse – unterklassigen Songs herumschlagen (2,0). „Wavelength“ (537458) war anschließend eine Öfihung ins Licht, die signalisierte, daß der gute Mann auch mal Geld verdienen wollte. (3,0) Thema Surf. Dies ist eine Warnung: Wer „Better Shread Than Dead“ (Rhino R2 72631/Contraire) am Stück geschluckt hat, ist Ohrenzeuge des Nonplusultra dieses Genres geworden. Interpret: der „Erfinder“ des Wellenreiter-Sounds, DICK DALE. Völlig unvorstellbar, daß zu diesen stahlharten, dreckig herausgeknüppelten Stakkato-Eruptionen US-Milchbubis aus der Mikrowelle getanzt haben sollen – Mutti hätte ihnen das nie erlaubt (höchstens Beach Boys)! 26 Tracks von 1959 bis 1967 (Disc 1), 13 von 1983 bis 1996 (Disc 2). Was der inzwischen 60jährige noch immer aus seiner Stratocaster melkt, ist Starkstrom pur. Neben so Evergreens wie „Let’s Go Trippin“, „Riders In The Sky“ oder „Del-Tone Rock“ gibt es „Nitro“ (wie wahr!), eine „Pipeline“-Version mit Stevie Ray Vaughn und eine Verbeugung vor Jimi Hendrix, „3rd Stone From The Sun“. Unter 5,0 geht dieser fabelhafte Doppeldecker nicht weg.

Diese Scheibe galt als verschollen: „Brighton Belle Blues“ (Taxim TX-1021/TIS), 1971 auf dem Mini-Label Blue Goose veröffentlicht. ROGER HUBBARD, heute wieder mit Buick 6 aktiv, lieferte ein qualifiziertes Stück Folk-Blues ab; solo eingespielt, in der Tradition der Robert Johnson oder Blind Blake. Stimmlich okay, am Instrument virtuos, wenngleich eher etwas für Puristen. 5,0

SCOTT WALKER Mitte der 70er Jahre – nicht jedermanns Sache. „Stretch“ und „We Had It All“, jetzt auf einer CD gekoppelt (BGOCD 358/TIS), machen da keine Ausnahme. Ausgezeichnet remastered, bieten sie Country-Pop und Standards der Adult-Literatur, etwa aus den Federn von Randy Newman, Fordon Lightfoot, Goffin/King, Jimmy Webb. Klar, Emotion und Dramatik von „Scott I- IV“ fehlen nahezu komplett, 3,0 Nicht jeder PRETTY THINGS-Fan jubelte über die Doppeldecker-Anthologie von 1996. Für die R&B-Hardcore-Fraktion endete die Band-Story nämlich schon 1966, bevor die Haudraufs sich stilistisch öffneten. Wer so empfindet, erhält mit „The EP Collection“ (SEECD 476/TIS) eine süperbe Vollbedienung mit 26 Titeln auf einer Einzel-CD; zwar „nur“ an den englischen und französischen EPs orientiert, aber glücklicherweise schön umfassend: A&B-Seiten der ersten acht UK-Singles von 1964 bis 1966 (inklusive aller sieben Hits), drei holländische Singles (A&B-Seiten, 1975) sowie als Zusatz vier starke LP-Tracks aus diesem Zeitraum, „London Town“, „We’ll Play House“, „Get The Picture“ und „Gonna Find A Substitute“. 4,0 für eine hervorragende Zusammenstellung.

Zwei Alben von der apokryphen Band DIE ANTWORT erschienen 1991 und ’92: „Hier“ und „No. 1“. Beide wurden nun zu 29 Tracks auf „Eine einfache Lösung“ (WEA) zusammengefaßt. Bernd Begemann und der ehemalige Lindenberg-Gitarrist Karl Allaut blicken in kargen Zeilen auf die Zeit zurück: B. erinnert sich an das Scheitern seiner Ehe und andere Unbilden, A. beklagt die Verwechslung von Text und Musik. Der sympathisch altertümelnde Rockabilly-Beat kreist meistens um Liebesnöte von Jungmännern, hat aber Witz und ironischen Schmiß. Mit „Ich komme, um zu kündigen“ und „Mitleid mit den Dummen“ enthält diese Sammlung mindestens zwei Klassiker des treffenden Lakonismus. Eine Wiedervereinigung ist nicht ausgeschlossen. 3,5

Die fünf Solo-Alben des schrulligen Pere Ubu-Leiters DAVID THOMAS sind in der wunderbaren Box „Monster“ (Coooking Vinyl/Indigo) versammelt. Eine ausführliche Würdigung muß freilich scheitern, da Thomas‘ experimentelle Freistil-Musik vollkommen erratisch, ja enigmatisch ist – ein Rätselwerk für Musikologen und Geheimwissenschaftler, eine Herausforderung, 4,0

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