Replays2 :: von Bernd Metheja
Sie hatten was von Joy Division, aber mit Licht am Ende des Tunnels. Ihr Sound wabert oft trüb wie warm-dickes Altbier, und die Songs werden uhrwerkartig getrieben von hypnotischen Baßund Drum-Mustern. Über der fest durchweg bedrohlichen Grundstimmung: Stephen Fellows‘ herrischer Gesang. Verglichen mit den COM-SAT ANGELS waren The Cure oder Echo 8C Co. nur bessere Bonsai-Apokalypten. Nun erstmals auf CD: alle 42 Titel der Jahre 1980 bis ’82 – auf den Alben „Sleep No More“ (RPM 156/4,5 ), „Fiction“ (157/ 4,0 ) und „Waiting For A Miracle“(155/3,5)
Spät, aber nicht zu spät hat das US-Label Sundazed einen deutschen Vertrieb gefunden: Bear Family Records halten ab sofort Pretiosen wie das Frühwerk von
MITCH RYDER & THE DETROIT
WHEELS bereit. Verteilt auf drei CDs, ist das Nebelhorn aus Michigan als explodierender Rock & Soul-Shouter zu hören: „Sock It To Me“ (Sundazed SC 6009), „Breakout!“ (6008) und „…Take A Ride“ (6007) sind gelungene Beispiele für dampfenden R&B, für den man nicht unbedingt dunkler im Teint sein mußte. Bonus-Tracks, und alles in „true Stereo“: 4,0
Das Rhino-Label schiebt nach; den US-Größen folgen jetzt die Briten: TROUBADOURS OF BRITISH FOLK (VoL 1-3) versammelt auf drei CDs 49 Tracks mit der Creme dieses Genres. Fairport Convention, Pentagle, Fotheringay, Steeleye Span, Nick Drake, June Tabor, Donovan, Ralph McTelL Runrig – die Liste ist endlos; was Rang und Namen hat(te), ist vertreten. Für Puristen, Traditionalisten und Unplugged-Fans. Spezialisten werden gerade ihren Favoriten vermissen (wie üblich) – dennoch: eine ausnahmslos zu empfehlende Anthologie mit der Katalognummer Rhino 72160-62 (Vertrieb: Contraire) und der Wertung von jeweils: 4,0
Die HULLABALLOOS waren Sieger im Wettbewerb „Einmal wie Beatles und Searchers klingen“. Beide sehr seltenen Alben von 1963/64 nun auf der Repertoire-CD REP 4593/TIS. Hoher Sammelwert, die Musik: 2,0
Zwei Klassen darüber spielte die kalifornische Band GRASSROOTS. Vereint auf einer Einzel-CD gibt’s nun die Original-LPs „Feelings“ und „Let’s Lire For Today“ (plus drei Zusatz-Titel). Starker Folk-Rock unter der Fuchtel des einschlägig bekannten Autoren-Teams P. F. Sloan und Steve Barri, um 1967 gern auch mit ernstzunehmenden psychedelischen Absichten unterwegs. Gesang aus der ersten Liga, 22 Hits bis 1975, von denen die sechs frühesten hier enthalten sind. 4,0 für eine der am wenigsten gefeierten Kapellen der späteren Sechziger (Repertoire REP 4594/TIS).
„The Musician“ ist und bleibt der labberigste LP-Job des großen TIM ROSE. Gegen Streicher und Gezirpe konnte sich auch seine mächtige, grunzige Raspelstimme nicht behaupten, waren selbst Studio-Cracks wie Ray Martinez, Dave Charles, Andy Summers, Lee Jackson und andere machtlos. Bei Demon Records hat man dies wohl bemerkt und deshalb zwei ebenso obskure wie exzellente Versionen der Rose-Klassiker „Morning Dew“ und „Hey Joe“ (im Arrangement, das Hendrix übernahm) hinzugefügt (EDCD 448/TIS). Was die Lusche in ihrer Gesamtheit aber auch nicht über 2,0 hinaushebt. Wann werden endlich die Alben „Lore -A Kind OfHate Story“ (EMI) und „Tim Rose“ (Playboy Records) auf CD umgehoben?
Neil Innes (Ex-Bonzos) und Eric Idle (Monty Python-Crew) steckten hirnmäßig und als TV-Darsteller hinter den RUTLES, der gelungensten aller Beades-Parodien. Die bissig-augenzwinkernden Song-Verarschungen besorgten im Studio die Patto-Asse OUie Halsall und John Halsey sowie Rikki Fataar (Beach Boys) und Neil Innes. „The Rutles“ (Rhino R75760/Contraire), eingespielt im Jahr 1978, kommt mit aufgestockten 20 Tracks genau richtig in einer Zeit, da gewisse Anthologien halten, was niemand versprochen hat. Hier darf gelacht werden, und das wird mit soliden 3,0 benotet.
Neben Bergen überflüssigster Re-Issues (nicht selten, dafür aber schön schlecht) gelingt es Firmen immer wieder, pure Goldstücke auszugraben. Das gleichnamige, lange verschollene Debüt von AUDIENCE ist ein solcher Glücksgriff (RPM 148/Contraire). Der Art-Rock-Klassiker, 1969 auf Polydor erschienen und sang- und klangvoll abgesoffen, erinnert phasenweise an Traffic. Die Band verfugt in Gestalt von Howard Werth und Allround-Bläser Keith Gemmel über zwei Prädikat-Solisten. Auch nach 26 Jahren klingt hier nichts antiquiert, darum: 4,0 Ausschnitte eines Neujahrskonzertes kommen von JOHNNY & THE HURRICANES: „Live – Volume 1“ (Atila ACD1034/TIS). Aufgenommen wurde das Getöse offenbar im Hamburger „Star-Club“, wohl irgendwann nach der Währungsreform. Wie diese 55 Minuten vor der Digitalisierung geklungen haben müssen, stelle sich bitte niemand vor. Eine Wertung für die Rumpel-Arie aus schepperndem Rock’n’Roll ist schlicht unmöglich.
Als Englands bester Blues-Sänger, CHRIS YOULDEN, Savoy Brown verließ, durften Fans Solo-Arbeiten erster Güte erwarten. Und so kam’s. ,“Nowhere Road“ und „City Child“ waren 1973/74 ihrer Zeit um Längen voraus. Der Mann mit der attraktiv verklebten Kehle setzte eine wunderbare Mixtur aus Blues, Soul und R&B an, die inzwischen jedes Jahr aktueller klingt. Assistenten wie Chris Spedding, Pete Wingfield, Danny Kirwan, Ray Fenwick und viele andere Profis hoben die Scheiben auf ein 4,0 -Niveau. Obwohl der Sound makellos ist, dürfte es sich bei der Doppel-Veröffentlichung (HF 9518 und HF 9519) eines Labels namens Fire Engine um halbseidene Ware handeln. Und solche wollen wir um Himmels willen natürlich niemandem empfehlen. Also: darauf warten, daß die Alben auch offiziell den Markt erreichen…