Reprazent feat. Roni Size – New Forms
Der Inner City Blues, immer wieder. Die Wiedergeburt des Soul im Körper von Drum’n’Bass, noch einmal. Nach Goldies „Timeless“ legt nun das Kollektiv Reprazent um Roni Size und DJ Krust ein weiteres ausladendes Album vor, das mit Hilfe von Breakbeats den klassischen Plot vom Überleben in einer feindlichen Umgebung erzählt. Diesmal geht es nicht um New York und auch nicht um London, sondern um Bristol. Wie ein Streunen in den weniger freundlichen Teilen der englischen Hafenstadt können die gut 70 Minuten von „New Forms“ gehört werden, in denen es keiner expliziten Lyrics bedarf, um ein präzises Stimmungsbild zu zeichnen.
Die extrem variationsreichen Beats von Size und den anderen DJs bestimmen das Tempo, der klassische Soul-Gesang von Chanteuse Onallee sorgt für die Lichtgestaltung in dieser gleichsam überhöhten Milieu-Studie. Erstaunlich, wie hier die antagonistischen Ausrichtungen des Drum’n’Bass zusammengebracht werden: Reprazent sind verdammt dark, und sie sind verdammt jazzy. Diese Kombination macht keinen Widerspruch aus, sondern bringt Spannung in Tracks, die ansonsten ohne Extravaganzen und Erklärungsmuster auskommen. Nur einmal werden Reprazent explizit. Mit „Let’s Get It On“ verweisen sie auf Marvin Gaye, dessen Platten ihnen in gewisser Weise das Wirkungsprinzip vorgeben, weil auch bei ihnen der Glanz der Musik vor dem schwarzen Hintergrund um so stärker strahlt. Das ist er, der Inner City Blues. Der Soul des 21. Jahrhunderts, wie das Kollektiv die Musik gern und zu Recht nennt.
Am Anfang ist da nur eine Baß-Schlaufe, elastisch und jazzig. Die weht einsam durch den Raum wie eine Papiertüte über die zugigen Straßen Bristols – „Brown Paper Bag“ wäre natürlich auch ein schöner Titel für eine Bebop-Nummer, kommt aber als Drum’n’Bass in Reinformat daher. Der locker improvisierte Dialog zwischen Trommel und Baß aus dem Eröffnungsstück wird später mit „Mad Cat“ noch ein schöner Jazz-Titel – sogar ein paar Etappen weiter getrieben und bezieht seinen Reiz durch die Kollision ganz unterschiedlicher Temperamente. So gilt DJ Krust ak positiver Schöngeist, während Roni erst bei den mörderischen Breakbeat-Wirbeln zu Form aufläuft.
Die Stimme, wie gesagt, dient beimJungle-Clan aus Bristol meist dazu, die intrumentalen Impressionen ins rechte Licht zu tauchen. Ausnahme ist das hitverdächtige „Share The Fall“. Und der Track „Beatbox“. In dem werden virtuos Vokal-Samples zu Breakbeat-Stakkati manipuliert. Denn am Ende existieren in der Welt von Reprazent doch nur drei Dinge: Rhythmus, Rhythmus, Rhythmus.