Richard & Linda Thompson – In Concert 1975 :: Konzert-Dokument des Ehepaars aus dessen großer Zeit

Kaum eine jener Firmen, die nach seinem Weggang von Fairport Convention Solo-Platten von Richard Thompson veröffentlichten, betrachteten es seither als an der Zeit oder sinnvoll, dieselben auch wieder mal in prima Neuüberspielungen zu bringen. Dagegen liegt das Werk, das er mit Frau Linda bis Anfang der 80er Jahre und bis zum bitteren Ende einer Ehe einspielte, größtenteils exzellent remastered auf CD vor.

Weil Thompson seine Fans nicht verkommen lassen möchte, hat er während der letzten Jahre (weit überwiegend auf dem eigenen Beeswing-Label und nur übers Netz auf seiner Website käuflich) nicht weniger als acht Live-Mitschnitte veröffentlicht, höchst professionell und in ganz süperber Klangqualität aufgezeichnet. Der Unterschied ist oft derselbe wie im klassischen Fall von „Let It Bleed“: Gegenüber den Studio-Versionen gewinnen die Songs in den konzertanten Fassungen eine ganz neue Qualität! Wie er da-ohne Rücksicht auf den Arbeitsprozess in einem Studio nehmen zu müssen – Emotionen rauslässt und beim Zuhörer zu provozieren versteht, erweist ihn als einen wahren Entfesselungskünstler. Das autobiografische Stück „Tear-Stained Letter“ von dem großen Bekenner-Werk „Hand Of Kindness“ („It was three in the morning when she took me apart/ She wrecked the furniture, she wrecked my heart“) wird dann öfter ein ähnlicher Höhepunkt wie „Street Fighting Man“ oder „Sympathy For The Devil“ bei Rolling Stones-Konzerten. Mit dem Unterschied, dass das Drama dieser Szenen einer Ehe nicht Attitüde oder Lektüre entsprang, sondern viel und so ziemlich alles mit dem nicht nur sogenannten wirkliehen Leben zu tun hatte. Das war Thompsons „Blood On The Tracks“.

Aus einer Zeit, als er die Dinge des Lebens anders und noch nicht ähnlich grimmig wie manchmal der Kollege Loudon Wainwright sah, stammt das jetzt vorgelegte Live-Album, das aus drei Auftritten „komponiert“ wurde und sozusagen das ideale Konzert vom November 1975 darstellt. Vielleicht darf man es als nachträglich als prophetisch und Zeichen betrachten, dass Ehefrau Linda zwischendurch ausgerechnet Hank Williams‘ „Why Don’t You Love Me“ singt. Wenn Richard dann im Duett mit einfällt, hat man aber nicht den Eindruck, dass irgendwer das als Kommentar zum aktuellen Stand der amourösen oder erotischen Dinge betrachtete, im Gegenteil: Der erste von drei Country-Songs des Finales ist Glen D. Hardins von Ricky Nelson aufgenommenes, hierzu Folk mutiertes Rockabilly-Stück „Things You Gave Me“, fast demonstrativ die gänzlich intakte Ehe beschwörend wie Jack Clements folgendes „It’ll Be Me“ auch, Thompson und John Kirkpatrick dort richtig aufgedreht an der Harmonika virtuos musizierend. Einen viel freundlicheren Schlusspunkt als den Buck-Owens-Heuler“Together Again“ kann man sich kaum vorstellen. Linda singt das zwar nicht so ergreifend wie Emmylou Harris, aber verblüffend ist ja ohnehin, dass und wie das Paar sich hier als Country-Fans outet. So kannte man weder Linda Peters aus ihren Anfängen noch die beiden von ihren gemeinsamen Aufnahmen.

An hochkarätigem Material herrschte nach drei LPs kein Mangel. Mit einem Ohrwurm wie „I Want To See The Bright Lights Tonight“ animierten sie gleich zu Beginnjedes Publikum. Dasselbe lauschte ganz still großen Balladen wie „A Heart Needs A Home“. Für Folk-Rock-Fans hatte man „Hokey Pokey (The Ice Cream Song)“ ins Repertoire aufgenommen. Aber die faszinierenden Höhepunkte der Tournee waren natürlich immer „Calvary Cross“, „Night Comes In“ und „For The Shame Of Doing Wrong“ in den langen Bühnen-Arrangements, mit Kirkpatrick als Meister aller Quetschkommoden und die Thompsons innig harmonierend im Duett „I wish I was a fool for you“ singend, während

die Rhythmustruppe Mattacks/ Pegg alles solide zusammenhielt. Der Gitarrist natürlich mit spektakulären Soli brillierend und alle Augen auf ihn gerichtet, denn die 14 Minuten „Calvary Cross“ gehörten ihm.

Das Material wurde fürdiese CD neu abgemischt. Soviel Zeit und Geld zu investieren, fühlte man sich bei Island Records dann doch verpflichtet.

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