Richard Thompson – Front Parlour Ballads

Man betritt ein Haus über seine Diele, erst von dort kann man in die anderen Räume gelangen. Richard Thompson betritt die Welt – egal, wo er lebt – von England aus, seine Songs von seiner Kenntnis Shakespeares, der alten Folk-Balladen und der menschlichen Psyche aus. Der Albumtitel „Front Parlour Ballads“ hätte somit auf jedes seiner Alben gepaßt, er bezeichnet den mentalen Ausgangspunkt all seiner Songs. Doch dieses Mal bezieht er sich auch auf Ort und Intimität der Aufnahme, denn Richard Thompson spielte diese Songs ganz allein in seiner Garage (er lebt ja in Kalifornien, der Euphemismus „front parlour“ klingt natürlich viel britischer).

Dieses Konzept hört sich zunächst mal – nachdem er sein letztes Album „Old Kit Bag“ schon in Triobesetzung aufgenommen hatte – nach einer weiteren Reduktion an. Es ist aber eher eine Konzentration. Wo die Stücke auf dem letzten Album teilweise skizzenhaft blieben, als Anlaß für eine längere Improvisation dienten, ausfransten, ist hier alles ausgefeilt, sitzt jede Zeile, jedes Arrangement (Thompson spielt Akkordeon, Baß, akustische und bei zwei Stücken gar elektrische Gitarren, Debra Dobkin sorgt für die Perkussion).

Klassische Songs also – zu einem klassischen Thema: der Kurzlebigkeit alles Irdischen. Wo Shakespeare der Vergänglichkeit die Kunst als deren einzige Überwindungsmöglichkeit entgegenstellt, singt Thompson jedoch bereits über den nahenden Tod und das Ende der Liebe, spöttisch, wie in „Let It Blow“, zynisch wie in „A Solitary Life“ oder seelenwund wie im wundervollen „For Whose Sake“. Im prächtigsten Stück, „My Soul, My Soul“, einem Song über das Finale einer blinden Leidenschaft, der musikalisch ein bißchen an das grandiose „Mingus Eyes“ von „Mirror Blue“ erinnert, mischt Thompson die englische Balladenform mit arabischen Elementen. Die elektrische Gitarre bedient er hier sublim, nie kommt es zu einem dieser furiosen Ausbrüche, wie man sie von früheren Alben kennt, und gerade das erzeugt eine fast unheimliche Spannung.

Es ist ein einsam gelegenes, dunkles Haus, eine Art britische Entsprechung zu Norman Bates‘ Motel vielleicht, in dem sich dieser front parlour befindet. Leben möchte man dort nicht, aber von den Geschichten der Charaktere, die dort zu Hause sind, kann man nicht genug kriegen. „Life’s little traumas and courtroom dramas/ Remind me I’m glad I’m alive.“

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