Richard Thompson – Life And Music Of Richard Thompson
Das letzte, auf das Nigel Schofield und Neil Wayne hier Wert legten, war High Fidelity. Das Demo des berühmten „The Great Valerio“ auf der ersten CD beispielsweise klingt so, als wäre da 1972 ein Diktaphon benutzt worden. Von unterirdischer Klangqualität sind auch einige Live-Mitschnitte. Von ganz fabelhafter wiederum „Outside Of The Inside“, ein Studio-Outtake von den „Old Kit Bag“-Sessions. Von solchen findet man hier nur nicht sehr viele unter den 85 Aufnahmen. Bei den meisten handelt es sich um Konzertmitschnitte.
Das einzige Kriterium, das bei der Auslese aus dem reichlich vorhandenen Material – zu dem auch Fans weltweit beisteuerten – zählte, war die ausnehmend gelungene Qualität der Interpretation. Wobei die ehrgeizige Idee im Hinterkopf garantiert die war, Live-Aufnahmen zu präsentieren, bei denen Thompson seine Studio-Originale noch um einiges übertraf. Sie konnten ihn sogar überreden, brandneue Aufnahmen wie „Joseph Locke“ einzuspielen. Zum Entspannen gibt es zwischendurch auch mal satirischen Ulk wie „Madonna’s Wedding“, das Traditional „Marie’s Wedding“ mit neuen und durchaus komischen Texten. Und zum Schluß als Finale der Raritäten aus der fünften CD mit „Dear Janet Jackson“ ein paar amüsante Betrachtungen und Überlegungen zu deren Super-Bowl-Vorfall.
An die einsame Klasse von „Shoot Out The Lights“ schließen die Aufnahmen der zweiten CD an. Erhalten wurden dafür wunderbare mit Linda Thompson, ein betörendes Duett mit Shawn Colvin, Allzeitklassiker wie „Down Where The Drunkards Roll“. „Tear-Stained Letter“, „Wall Of Death“ und die Motorrad-Ode „1952 Vincent Black Lightning“.
Die dritte CD ist dann mit ganzen elf, das Plättchen trotzdem füllenden Aufnahmen eine „Kohlen nach Sheffield bringen“-Routine, nämlich der Versuch nachzuweisen, warum Thompson im Pantheon der Gitarristen rechtens zu den allergrößten gezählt wird. Auch anhand der längeren Soli von „For The Shame Of Doing Wrong“, „Calvary Cross“ oder „Sloth“, bei denen er nicht eine Note zuviel spielt. Variable Aufzeichnungsqualität, aber hier entschieden nie Bootleg-Qualiät.
Was auch zum Vergnügen des betuchteren Thompson-Fans (ein Sonderangebot ist dies Teil nicht) beitragen dürfte: Vergleiche mit früheren Aufnahmen derselben Songs sind sehr reizvoll. Zu den vergnüglicheren Traditionais und Cover-Versionen auf der vierten CD gehören der Plastic-Bertrand-Hit „Ca Plane Pour Moi“, Thompson sein bestes Französisch hervorkramend, Britneys „Oops! I Did It Again“ und „Why Don’t Women Like Me“, der George-Formby-Oldie von 1933. Bei „Time Has Told Me“ gibt er seinen besten Ry Cooder: die Nick Drake-Vorlage als hawaiianische Folklore musiziert. Tolle Idee, gute Ausführung.
Das edle Teil ist „God Loves A Drunk“ mit Norma Waterson, mehr Spaß sein unplugged musiziertes „Willie & The Hand Jive/Not Fade Away“-Medley. Daß er hier bei zwei Songs aus seiner antimilitaristischen Seele keine Mördergrube macht, dokumentiert das ansonsten unglaublich penibel und informativ kommende Buch nicht: „You’ll Never Walk Alone“ und „I Ain’t Marching Anymore“ kommen in den Liner Notes schlicht nicht vor. So inflationär, wie Ashley Hutchings neuerdings Archivmaterial öffentlich macht, kommen die Demos und Raritäten der fünften CD nicht daher. Alles für den fortgeschrittenen Thompson-Fan, aber Entdeckungen (Demos mit Linda und anderes) kann auch der gewöhnliche hier machen. Und das war schließlich der Sinn dieser ganzen Übung.